Die Pferde vom Friesenhof 01 - Start mit Hindernissen
sich Dinge zuspitzten.
»Quatsch. Mein Vater prügelt sich nicht«, sagte Lea würdevoll. »Er macht ihn nur zur Schnecke.«
Vier Pfoten sorgen für Wirbel
Nie hätte es Dr. Eichhorn für möglich gehalten, dass er sich so aufregen könnte. Aber als er den Friesenhof hinter sich gelassen hatte und frische Seeluft durchs Autofenster drang, kühlte sein Kopf ab. Die Sache war gerade noch mal gut gegangen. Dank Otto Tönnies! Nachdem nun alles geklärt war, hatte er von Leif Harding nichts mehr zu befürchten. Trotzdem - welche Niedertracht! Der bekam etwas zu hören!
Sein Wagen näherte sich dem letzten Haus am Deich. Vor der niedrigen Reetdachkate stellte Dr. Eichhorn den Wagen ab. Die Nachmittagssonne verschwand gerade hinterm Deich, der einen langen, dunklen Schatten über das Grundstück warf. Wo die Sonne fehlte, wurde es sofort empfindlich kühl. Mit großen Schritten ging Dr. Eichhorn auf die Hütte zu.
Auf der Bretterbank davor saß ein dürrer Mann, etwa sechzig Jahre alt. Er stützte sich auf einen Gehstock, den er wie zum Schutz vor sich hielt. Das aschblonde Haar lag in dünnen Strähnen am Kopf. Die schmalen, zusammengekniffenen Lippen gaben dem Mann einen verbitterten Ausdruck.
Dr. Eichhorn erkannte Leif Harding sofort nach Otto Tönnies’ Beschreibung. Trotz der kühlen Temperatur trug Harding bloß ein T-Shirt und eine dünne Cordjacke. Der Mann wirkte grau, verfroren und erschöpft.
So sieht jemand aus, der im Leben viel Pech gehabt hat, ging es Dr. Eichhorn durch den Kopf. Sein Schritt stockte. Er selbst war immer ein Glückskind gewesen - er arbeitete in seinem Traumberuf, hatte eine tolle Frau und zwei wunderbare Töchter.
Aber daran wollte er jetzt nicht denken. Dass Leif Harding viel Unglück erlebt hatte, war keine Entschuldigung für sein gemeines Verhalten.
»Wie kommen Sie dazu, über mich Lügen zu verbreiten?«, fragte Dr. Eichhorn ruhig. »Sie können sich denken, wer ich bin - Markus Eichhorn vom Friesenhof.« Leif Harding starrte ihn aus leeren Augen an. »Mein Hund ist weg«, sagt er mit brüchiger Stimme. »Vier Stunden schon. Bestimmt ist er tot. Erstickt in einem Kaninchenloch.«
»Wie bitte?« Dr. Eichhorn hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass das Gespräch eine solche Wendung nahm. Pausenlos hatte er sich auf der Fahrt überlegt, was er Harding an den Kopf werfen wollte.
Doch als er jetzt das Häufchen Elend vor sich sah, brachte er es nicht fertig. »Alles, was Leif Harding noch hat, ist sein Hund«, hatte ihm Ingwer Ingwersen hinterhergerufen. Markus Eichhorn kämpfte mit sich. Sollte er wegen dem Hund den hinterhältigen Lügner ungeschoren davonkommen lassen?
Er blickte auf Leif Harding hinunter. Fröstelnd saß der dünne Mann auf der Bank und brütete dumpf vor sich hin. »Wenn er früher mal weggelaufen ist, stand er spätestens nach einer Stunde wieder vor der Tür. Jetzt ist er seit vier Stunden weg. Bestimmt liegt er irgendwo, mein kleiner Kompass, verletzt...« Es schien, als habe er Dr. Eichhorn gar nicht zugehört.
Dr. Eichhorn seufzte. Diese armselige Gestalt vor sich konnte er einfach nicht zusammenstauchen. Und nun kam auch noch ein Hund ins Spiel...
»Wir reden später über Ihre Anschuldigungen gegen mich«, sagte er. »Der Hund geht vor. Was ist passiert?« Kompass, der Rauhaardackel, hatte sich von der Leine gerissen und war Kaninchen hinterhergejagt, erzählte Leif Harding stockend.
»Stundenlang habe ich gesucht, aber mit dem kaputten Bein«, sagte Leif Harding und zeigte mit dem Gehstock darauf, »komme ich nur schwer vorwärts.«
»Wieso befürchten Sie, dass Ihr Hund in einem Kaninchenloch steckt? Buddelt er sich öfter fest?«
Leif Harding nickte, ohne den Blick zu heben. »Vor einem halben Jahr steckte Kompass in einem Kaninchenbau fest. Fast wäre er erstickt. Damals hat die Feuerwehr ihn ausgegraben. Aber diesmal ...«Er schüttelte den Kopf. »Vier Stunden schon. Wenn ich ihn heute nicht mehr finde, dann ..., dann ist er tot.«
Der letzte Satz war so leise, dass Markus Eichhorn Mühe hatte, ihn zu verstehen. Hardings Furcht war nicht übertrieben. das wusste der Tierarzt. Nicht selten stürzen sich Dackel kopflos in den Eingang von Kaninchenbauten und bleiben auf halbem Weg stecken.
Dr. Eichhorn überlegte, wie er helfen könnte. »Wohin rennt Ihr Hund meistens? Vielleicht kann ich die Strecke mit dem Geländewagen abfahren.«
Harding richtete seinen Stock nach Südosten. »Zwi- schem Ihrem Hof und dem kleinen
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