Die Pflanzenmalerin
Und von alldem berichtete er ihr, wenn sie nachts beieinander lagen und das Schlafen vergaßen, wenn sie diskutierten und disputierten, bis das Feuer heruntergebrannt war und sie sich in die Arme des anderen schmiegten.
Ihr waren diese Tage kostbar. Im Februar und März weilte er in Holland und ließ sie in der Orchard Street zurück. Sie dort zu wissen machte ihm die Abreise leichter; bei seiner Rückkehr würde sie noch da sein, so klug wie schön. Nach zwei Monaten männlicher Gesellschaft gab es nichts Besseres, als zu ihr zurückzukehren. Auf andere Weise tat es auch ihr gut, wenn er fort war. Noch vor wenigen Monaten hatte sie geglaubt, ein Leben ohne ihn wäre leer, doch ihre Bilder aus Madeira hatten alles verändert. Sie schenkten ihr weiten Raum und leuchtende Horizonte, ließen Mauern fallen. Beim Malen fühlte sie sich stark, eine Stärke, die grenzenlos schien. Ging er, veränderte sich ihre Welt, sie holte ihre Gerätschaften hervor und malte.
Ende März kehrte er zurück, ausgelassen und liebevoll, jugendlicher denn je in seiner Energie und Zuneigung. Im Sommer wolle er nach Nordwales, sagte er, um Pennant zu besuchen und durch das Land zu reisen. Er werde ihr Geschichten aus den dunklen walisischen Bergen mitbringen. Das nächste Mal würden sie, wenn die Gegend nicht allzu unwirtlich sei, zusammen dorthin fahren, und sie würde die wilden Moore und den berühmten Mount Snowdon sehen. Doch zunächst wolle er ihr jemanden vorstellen, einen Dänen namens Johann Fabricius; er erforsche Insekten und wolle den Sommer über seine Sammlung studieren.
Bei seiner Rückkehr war sie ein wenig ernster als gewöhnlich, doch er achtete nicht darauf, und so wartete sie, bis sich die Aufregung um seine Ankunft gelegt hatte, und sagte es ihm erst dann. Sie war im dritten Monat schwanger.
16
Flucht aus Lincoln
Es war zwei Uhr morgens, als ich ins Hotel zurückkam. Am Stadtrand waren noch Autos auf den Straßen, auf dem Hügel aber herrschten nichts als Stille und Sternenschein. Ich ließ den Wagen stehen und ging das letzte Stück zu Fuß. Der Frost hatte verschlungene Muster auf die Pflastersteine gemalt.
Die Rezeption war von einer kleinen Lampe erhellt, der Rest des Raumes lag im Dunkeln. Wärme hüllte mich ein, und ich blieb einen Moment stehen, um sie zu genießen, rieb mir die Hände und lockerte meinen Schal. Bis dahin hatte ich die Kälte vor lauter Aufregung kaum gespürt. Ich fühlte mich lebendig , so fröhlich und dynamisch wie seit Jahren nicht mehr.
In meiner Euphorie hätte ich die Gestalt im Dunkeln leicht übersehen können, doch als ich zur Treppe ging, nahm ich eine Bewegung wahr. Eine offene Tür zu meiner Linken führte in die Hotelbar, und in dem schwarzen Viereck sah ich einen kleinen Lichtpunkt emporsteigen, aufglühen und wieder verschwinden. Jemand saß dort rauchend im Dunkeln.
Ich ging zu der Tür. »Katya?«, rief ich leise, aber die Antwort kam in Potts’ breitem Amerikanisch. »Sie ist schlafen gegangen, Mr. Fitzgerald. Vor ein paar Stunden.« Das rote Auge der Zigarette hob sich von neuem und leuchtete auf, ein langer Zug, gefolgt von einem Seufzer, als der Rauch ins Dunkel hinein ausgestoßen wurde.
»Und die anderen beiden?« Ich blieb in der Tür stehen, überlegte, wo der Lichtschalter sein mochte, und versuchte vergeblich, seine Umrisse auszumachen.
»Anderson und Ihre Gabriella? Er ist nicht da. Er ist nach Durham gefahren. Und sie ist früh schlafen gegangen. Die beiden hatten einen langen Tag.«
»Also nichts Neues von dem Vogel?« Ich versuchte, mit ruhiger Stimme zu sprechen.
»Anscheinend nicht. Wollen Sie wissen, was passiert ist?«
»Erzählen Sie.« Außer der Glut der Zigarette konnte ich noch immer nichts erkennen.
»Also, um eins sind sie in Andersons Auto weggefahren. In einem Dorf namens Storeby haben sie in einem Pub namens The Bell zu Mittag gegessen. Sie haben Rotwein bestellt, aber nicht viel davon getrunken. Zwischen den Gängen hat Anderson ihre Hand gehalten und sie ausgiebig geküsst. Von so was hab ich im Lauf der Jahre mehr als genug gesehen, glauben Sie mir, Mr. Fitzgerald. Sie würden staunen, was ich so alles über mich ergehen lassen muss.« Potts seufzte und führte die Zigarette erneut an seinen unsichtbaren Mund. »Um zwanzig vor drei kamen zwei Männer dazu, beides Leute, die schon mal für Anderson gearbeitet haben. Das weiß ich, weil ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, es zu wissen. Mein Wort darauf.«
»Sie sind ihm
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