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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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gefolgt?«
    »Selbstverständlich.« Ein Hauch von Ungeduld schwang in seiner Stimme mit. »Das ist schließlich mein Job. Wollen Sie hören, wie’s weiterging?«
    Da ich schwieg, fuhr er fort:
    »Einer von den beiden hat einen Stapel Polaroidaufnahmen auf den Tisch gelegt, die sie sich zu viert eine halbe Stunde lang angeschaut haben. Anderson wurde ziemlich nervös und hat auf den Tisch gehauen, nicht gerade erfreut. Dann ist er aufgestanden und ins Dorf gegangen, wobei er eine Zigarette nach der anderen geraucht hat.« Ein leises Lachen ertönte aus dem Dunkel vor mir. »Unter uns, Mr. Fitzgerald: Ich würde sagen, er war stinksauer.«
    »Sie meinen, es war der falsche Vogel?«
    »Jede Wette.«
    Ich stieß langsam die Luft aus.
    »Stellen Sie sich das mal vor: Der ganze Aufwand, und nichts kommt dabei raus.«
    »Tja. Kein Vogel, keine Bilder, nichts. Er und Gabriella sind den Nachmittag über in dem Restaurant geblieben und haben geredet. Händchenhalten ohne Ende, Achselzucken ohne Ende, und ab und zu hat er eins von den Fotos genommen und verärgert dreingeschaut.«
    Wieder glühte die Spitze der unsichtbaren Zigarette auf. Inzwischen konnte ich vage Potts Umrisse in einem tiefen Sessel und einen schwachen Lichtreflex auf seinem Brillenrand erkennen.
    »Ich habe mit einem von den Männern gesprochen, die für ihn arbeiten, und mir alles erzählen lassen. Die Polaroids stammen aus einem großen Haus in der Nähe von Durham. Die haben dort einiges, was aus dem Old Manor in Ainsby stammt, auch Bilder, eine ganze Reihe Pflanzenmalereien. Deswegen war Anderson so scharf darauf. Aber keiner von den Vögeln auf den Fotos ist der Vogel, und die Bilder sind auch nicht die richtigen. Anderson ist hingefahren, um sich selbst zu überzeugen, aber das war Zeitverschwendung. Ich hab die Polaroids gesehen: Die Bilder sind definitiv nicht von Roitelet. Aber Anderson versteht nicht viel von Kunst. Deswegen wäre es besser gewesen, er hätte sich entschlossen, mit mir zusammenzuarbeiten.«
    »Also ist der Ulieta-Vogel immer noch irgendwo da draußen.« Ich überlegte einen Moment. »Und Sie, Mr. Potts? Wieso sitzen Sie hier im Dunkeln?«
    Die Antwort lag auf der Hand, doch meine Frage schien Potts nicht zu stören.
    »Ich hab auf Sie gewartet, Mr. Fitzgerald. Ich wollte einfach wissen, wann Sie zurückkommen. Und wo Sie waren, wüsste ich auch gern. Du lieber Himmel, die ganze Sache mit dem Stamford-Brief hat rein gar nichts gebracht. Und das heißt ja wohl, dass Sie unsere letzte Hoffnung sind, die Bilder zu finden. Sie sind derjenige, der sich mit ausgestopften Vögeln auskennt. Vielleicht wissen Sie ja mehr, als Sie zugeben.«
    Ich wollte gerade antworten, da klickte ein Feuerzeug, und die Flamme erleuchtete Potts’ Gesicht. Aber nicht ohne tieferen Grund, das war mir klar. Er wollte mein Gesicht sehen.
    »Wer weiß?« Ich wandte mich ab. »Ich geh ins Bett.«
    Ich ließ Potts im Dunkeln zurück, doch als ich die Treppe hinaufstieg, spürte ich, dass er mir nachsah. Man unterschätzt ihn leicht, dachte ich. Trotzdem musste ich an mich halten, um nicht zu rennen. Das Adrenalin strömte noch, und die Anstrengung, die es mich kostete, äußerlich ruhig zu bleiben, überstieg fast meine Kräfte. Und die ganze Zeit rasten die Gedanken in meinem Kopf. Ich brauchte einen Plan. Aber noch mehr brauchte ich jemanden zum Reden.
    In meinem Zimmer wusch ich mich kalt und löschte fünf Minuten später das Licht. Dann setzte ich mich in Kleidern mit dem Rücken an die Tür und wartete. Nach einer kalten Dreiviertelstunde hörte ich Potts heraufkommen. Wieder wartete ich eine Stunde, bis ich mich zu rühren wagte. Ich wusch mich noch einmal - warm diesmal, um das Zittern abzustellen - und nahm den Hörer auf dem Nachttisch ab. Ich wählte Katyas Nummer, ließ es einen Sekundenbruchteil läuten und legte wieder auf. Das wiederholte ich gleich darauf und dann noch einmal - jedes Mal nur der Ansatz eines Klingelns. Beim sechsten Versuch meldete sich Katya, verschlafen und verwirrt.
    »Sag nichts«, flüsterte ich. »Zieh dich ganz leise an. Wir fahren nach London.«
     
    Um halb fünf Uhr morgens waren die Straßen leer, und zwischen den Fahrspuren lag weißer Raureif. Es herrschte schneidende Kälte, und der Fahrtwind sprenkelte die Windschutzscheibe mit Eis. Wir hatten unsere Mäntel an und die Schals fest um den Hals gewickelt. Katya hatte sich mit einer alten Decke zugedeckt, die sie auf dem Rücksitz gefunden hatte.
    »Also, was ist?«,

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