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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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den Blick.
    »Ja, in Zukunft wird manches anders sein.«
    »Werden Sie London verlassen?«
    »Ja, ich werde London verlassen.«
    »Und das Kind an einem verschwiegeneren Ort großziehen, ich verstehe. Es ist für einen jungen Mann in seiner Position nicht ungewöhnlich, dass er...<
    Plötzlich befangen, verstummte er.
    »Sich eine andere Gefährtin sucht?« Sie hielt den Blick weiter gesenkt. »Eine Frau womöglich, die frei ist von den Pflichten der Mutterschaft?«
    »Verzeihen Sie.« Er griff von neuem nach ihrer Hand, und diesmal überließ sie sie ihm. »Ich hätte nicht so reden dürfen.«
    Sie blickte auf und lächelte wieder, die Augen leicht verhangen. »Sie müssen das verstehen. Sein Leben wird in Zukunft voller Menschen, Pläne und gesellschaftlicher Gepflogenheiten sein, auf die er wohl oder übel Rücksicht nehmen muss. Doch wird es niemals so weit kommen, dass er nicht mehr an uns, sein Kind und mich, denkt. Wohin das Leben ihn auch führen mag - dieser Gedanke wird immer da sein, irgendwo unter der Oberfläche.«
    Nun senkte Fabricius seinerseits den Kopf.
    »Selbstverständlich. Wie könnte es anders sein? Er ist ein glücklicher Mann. Ich hoffe nur, er ist sich dessen auch bewusst. Ich an seiner Stelle würde Sie zu einem solchen Zeitpunkt nicht allein lassen.«
    »Ich bin ja nicht allein.« Sie drückte seine Hand ein wenig fester, dann erhob sie sich und entfernte sich von ihm. Er sah sie in sich hineinlächeln, ein vages, trauriges Lächeln.
    »Verzeihen Sie mir«, sagte sie, als sie merkte, dass er sie beobachtete. »Ich musste an etwas denken, was einmal jemand zu mir gesagt hat. Ein Herr. Er meinte, eines Tages würde Joseph mich an einen anderen verlieren, der meinen Wert höher zu schätzen weiß. Daran habe ich in den letzten Monaten oft gedacht.«
    »Und Sie lächeln, weil Sie glauben, er war im Irrtum?«
    »Nein, Johann. Ich lächle, weil ich ihm damals nicht geglaubt habe. Heute weiß ich, dass er Recht hatte.«
     
    Es gibt in Nordwales einen Hügel, den die Leute dort Pen-y-Cloddiau nennen, Hügel der Gräben. Er steigt bucklig aus dem Vale of Clwyd auf, ein gekrümmter Wirbel im Rückgrat der Hügelkette, die nordwestwärts dem Meer zustrebt. Unterhalb davon liegt das Tal ausgebreitet wie eine Landkarte, die Gruppen der Bauernhöfe nicht mehr als Schattierungen des Kartografen. Der Hügel wird so genannt, weil seine Kuppe von drei mächtigen Erdwällen umgeben ist, den überwucherten Mauern einer alten Festung, deren Namen heute niemand mehr kennt, begraben unter dem Heidekraut, das ihre Wehranlagen überrannt hat.
    An einem warmen Tag im Juli machte sich Banks allein dorthin auf. Seine Rundreise durch Wales neigte sich dem Ende zu, und sie hatte ihm weder das Entfliehen beschert, das er gesucht hatte, noch die Klarheit, deren er bedurfte. Nun stand er auf der geschwungenen Krone des höchsten Walls und blickte auf die sonnendurchflutete Welt der Höfe und Wälder hinab. Über ihm sangen Feldlerchen. Jenseits des Tales stieg das Gelände wieder an, und er konnte die blauen Bergketten von Snowdonia ausmachen, fern und ein wenig geheimnisvoll. Die Einsamkeit, die ihn umgab, war ihm willkommen.
    Wie immer, wenn er in diesen Monaten allein war, dachte er an sie. Die Nachricht, dass sie schwanger war, hatte ihn aufgewühlt. Es war eine Veränderung im geregelten Lauf der Dinge, die ihm nie in den Sinn gekommen war, und sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Anfangs hatten ihn nur Überraschung und Staunen erfüllt. Dann aber kam der Zweifel - eine lange, langsame Woge der Unsicherheit, die mit jedem Tag näher heranrollte und an dem Sand unter seinen Füßen nagte. Auf dieser verborgenen Woge war er nach Wales gereist, schuldbewusst, weil er sie allein ließ, aufgebracht, weil ihm die Herrschaft über sein Leben aus der Hand genommen wurde.
    Die Sonne stand im Zenit, als er dort auf dem leeren Hügel weilte, doch es war kühler hier als im Tal. Wenn er die Augen schloss, nahm er den Duft des Heidekrauts wahr und hörte Bienen summen. Noch stärker aber empfand er, wie sehr er sie vermisste. Er wünschte sich, sie wäre bei ihm, hier und jetzt. Er wünschte sich, sie würde mit dem Finger über seine Lippen streichen und seinen Ernst belächeln, ihr Körper würde sich an seinen schmiegen. Er wünschte sich, sie würde allem einen Sinn geben, wie er es von ihr kannte. Aber ihr Körper hatte nun andere Konturen. Ihre gemeinsame Welt hatte sich verändert. Nie hätte er sich vorstellen

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