Die Pflanzenmalerin
ihn wusch. Nach all den Monaten war die Frau so geübt darin, dass sie nicht lange dazu brauchte, und selbst wenn sie ihn umdrehte, entstand kaum ein Geräusch. Unterdessen zählte sein langsames, gleichmäßiges Atmen die Tage und Stunden, die ihm noch blieben. Zufrieden, dass alles unverändert war, machte sie sich daran, sich zu säubern. Mit noch feuchtem, offenem Haar stieg sie die Treppe hinauf.
Martha begrüßte sie mit einem Nicken und einem Lächeln, und eine Zeit lang saßen sie schweigend zu beiden Seiten des schlafenden Mannes.
»Danke, Martha«, sagte das Mädchen schließlich. »Sie können mich jetzt eine Weile allein lassen. Sie müssen zu Abend essen.«
Die ältere Frau machte Anstalten aufzustehen, hielt dann aber inne. »Mr. Ponsonby war heute wieder hier, Miss.«
Sie wechselten einen Blick.
»Wie gut, dass ich nicht zu Hause war, Martha.«
Wieder schwiegen sie, dann sagte Martha: »Er hat das ganze letzte Jahr keine Miete verlangt, Miss.«
»Ja, ich weiß.« Sie senkte den Kopf. »Aber wir können nichts tun.«
Sie hätte noch mehr sagen können, doch an diesem Abend hatte sie das dringende Bedürfnis, allein zu sein. Nachdem Martha hinuntergegangen war, blieb sie noch einen Moment sitzen und lauschte auf die Atemzüge ihres Vaters. Das stete Heben und Senken schlich sich nachts zuweilen wie das Seufzen des Meeres in ihre Träume. In anderen Nächten verstummte es, und dann ging sie zu ihm und beugte sich voll Sorge tief über ihn wie eine Mutter über ihr schlafendes Kind.
Sie hatte oben geschlafen in der Nacht, als man ihn brachte. Erst hatte sie geglaubt, der Alkohol habe ihm so zugesetzt, und sie hatte sich geschämt. Doch dann hatte sie sein blutverschmiertes Haar gesehen, und die Männer hatten ihr erzählt, wie sie ihn gefunden hatten. Er sei betrunken bei den Ponsonbys hereingeplatzt, als sie beim Abendessen saßen; die Dienstboten hätten ihn vor die Tür gesetzt, und er sei in die Dunkelheit hinausgestapft. Sie seien auf dem Weg nach Highwood gewesen, um Pferde in die Ställe dort zurückzubringen, und hätten ihn in einem Graben liegen sehen. Anscheinend sei er mit dem Kopf auf einem Stein aufgeschlagen.
Es war ihr schrecklich, dass sie ihn so hilflos sahen, und nachdem sie ihn hinaufgetragen hatten, geleitete sie sie rasch hinaus. Die Nacht über blieb sie bei ihm und betupfte seine Wunde, und tief in ihrem Innern regte sich schmerzhaft die Angst. Die Wunde schien sauber zu sein, sie hatte nicht stark geblutet, und doch bewegte er sich nicht. Sie versuchte, ihm Brandy einzuflößen, und wartete die ganze Nacht darauf, dass er die Augen öffnete.
Am nächsten Tag kam der Arzt, obgleich sie nicht nach ihm geschickt hatte. Er war ein guter Mensch; kaum ein anderer hätte sie aus freien Stücken aufgesucht.
»Sie müssen versuchen, ihn zu füttern«, sagte er. »Was immer er zu sich nehmen kann, ohne sich zu verschlucken. Er muss bei Kräften bleiben.«
Die folgenden Tage waren in Zwielicht getaucht; das helle Tageslicht störte ihren Vater. Er aß, was sie ihm zwischen die Lippen zu schieben vermochte, dann wieder lag er teilnahmslos da, ohne ihre Berührung wahrzunehmen. Nach einer Woche kam Dr. Taylor wieder und brachte Martha mit, eine Pflegerin aus dem Nachbardorf, die einstige Amme seiner Kinder. Auf seine Bitte hatte sie sich bereit erklärt, im Haus eines Sünders und Heiden zu arbeiten.
»Eines müssen Sie wissen«, sagte er, nachdem Martha hinuntergegangen war, um ihre Sachen zu verstauen. »Je länger er schläft, desto unwahrscheinlicher wird es, dass er wieder aufwacht.« Sie nickte, aber er sah, dass sie nicht recht zugehört hatte. Er würde seine Lektion noch öfter wiederholen müssen.
»Doktor«, sagte sie, als er ging, »mein Vater hat Schulden. Ich kann die Pflegerin nicht bezahlen.«
Er sah in ihre besorgten grünen Augen.
»Martha wird ihren Lohn von mir erhalten.«
»Aber ich kann doch nicht...«
Sie blickte zu ihm auf, bat wortlos um Verständnis. Er aber schien ganz darauf konzentriert, seine Handschuhe überzustreifen, und fügte nur noch an, dass er wiederkommen werde, sobald es ihm möglich sei.
Bei seinem nächsten Besuch fand er sie verändert. Sie war adrett gekleidet, doch sie begrüßte ihn ohne ein Lächeln. Während sie ihn nach oben führte, berichtete sie ihm, dass keine Änderung eingetreten sei; ihr Vater nehme noch immer nicht wahr, was um ihn herum vorgehe. Der Arzt aber fand den Kranken durchaus verändert: Sein Gesicht war
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