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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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»Ich würde gern Ihren Mann sprechen. Es geht um ausgestorbene Vögel.«
    Sie sah mich ruhig an. »Mein Mann ist leider vor fünf Jahren gestorben. Aber wenn Sie wegen seiner Forschungen kommen, treten Sie doch ein.«
    Erst als ich ihr ins Haus folgte, sah ich, wie langsam sie sich bewegte. Und ich bemerkte noch mehr - ihren ausgefransten Rocksaum, ein leichtes Zittern ihrer Hände, als sie die Tür zum Wohnzimmer öffnete, einen nur halb geschlossenen Knopf an ihrer Bluse -, kleine Dinge, die mich traurig machten und Schuldgefühle in mir weckten. Man hätte so leicht in Kontakt bleiben können, dachte ich unsinnigerweise, als hätte meine Anwesenheit den Schmerz des Alterns irgendwie lindern können.
    Das Wohnzimmer war mit Möbeln und anderen Gegenständen voll gestellt. »Ich wische noch Staub«, sagte sie und wies mit einer wegwerfenden Geste in die Runde, »für alles andere kommt eine Frau ins Haus. Sie ist nicht besonders gut, also entschuldigen Sie, wenn es hier nicht so sauber ist, wie es sein sollte. Setzen Sie sich doch.« Ich nahm in einem der geblümten Sessel Platz. Sie ging zur Tür und blieb dort stehen. »Ich erinnere mich an Sie, Mr. Fitzgerald«, sagte sie. »Sie sind der Fachmann. Hans hat oft von Ihnen gesprochen. Sie waren auch einmal hier und haben sich seine Arbeit angesehen.«
    »Stimmt«, sagte ich. Mehr fiel mir nicht ein.
    Während sie in der Küche Tee kochte, sah ich mir die Bücher und Bilder an den Wänden an. Ein kleines Aquarell zeigte ein schlankes Mädchen in einem edwardianischen Kleid, das mit dem Rücken zum Betrachter stand, den Kopf unter einem Sonnenschirm verborgen. Im Hintergrund sah man helle Brandungswellen.
    »Das bin ich«, sagte die Frau, als sie wieder hereinkam und mich vor dem Bild stehen sah. »Meine Schwester hat es einmal im Sommer gemalt. Ich war damals ungefähr vierzehn, wenn ich mich recht erinnere. Sie war immer eine Romantikerin, meine Schwester.«
    Neben dem Bild hing ein Schwarz-Weiß-Foto von einem lächelnden jungen Mann mit Pfeife. Ich erkannte in ihm sofort den einfachen, unauffälligen Mann wieder, dem ich vor Jahren begegnet war. Es war das einzige Bild, auf dessen Rahmen keine Staubschicht lag.
    Während die Frau den Tee einschenkte, begann ich vom Ulieta-Vogel zu sprechen. Ich sei froh um jede Information, die ich bekommen könne, sagte ich, ihr Mann habe sich möglicherweise auch dafür interessiert. Darauf schwenkte sie ihre kleine, von Altersflecken übersäte Hand und schnaubte: »Wenn man da so im Dunkeln tappt, wie Sie es sagen, dann hat er sich bestimmt dafür interessiert. Er mochte so etwas.«
    »Ja, also«, begann ich und kam damit endlich zu dem Punkt, den ich aus Höflichkeit noch nicht anzusprechen gewagt hatte, »dann haben Sie ja vielleicht noch seine Aufzeichnungen. Haben Sie sie aufgehoben?«
    Sie sah mich einen Moment an und beugte sich dann vor.
    »Ich will Ihnen etwas sagen. Wenn man so alt ist wie ich, besitzt man kaum noch etwas von denen, die man geliebt hat. Und das, was übrig geblieben ist, gibt man bestimmt nicht aus der Hand.« Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und zog ein Papiertaschentuch aus ihrem Ärmel, betupfte sich damit vorsichtig die Nase, steckte es in den Ärmel zurück und sah mich wieder an. »Auf die Vogelnotizen war er ganz besonders stolz. Natürlich habe ich sie aufgehoben.«
    »Kann ich sie sehen?«
    »Ja. Das hätte Hans bestimmt gefreut.«
    Die Aufzeichnungen befanden sich in einem Zimmer im ersten Stock. Langsam stieg sie die Treppe hinauf, verschnaufte einen Moment und führte mich dann in einen großen Raum voller Bücher.
    »Da oben.« Sie zeigte auf das oberste Regalfach. Es zog sich alle vier Wände entlang, und anstelle von Büchern standen dort kastenförmige Aktenordner säuberlich aufgereiht, jeder einzelne sorgfältig von Hand beschriftet. Sie ragten weiter vor als die Bücher, aber man hätte sie leicht übersehen können: Gegen die eleganten Lederbände unter ihnen wirkten sie alt und ausgebleicht und irgendwie sehr profan. Ich sah jedoch auf den ersten Blick, wie viel Sorgfalt auf sie verwendet worden war. Es gab einen Kasten pro Spezies und weitere Kästen zu Unterthemen, einige davon nach diversen Sammlern oder Sammlungen benannt. Ich würde vier Wochen brauchen, um sie alle durchzusehen.
    »Hat er die schon vielen Leuten gezeigt?«, fragte ich, während meine Augen weiter die Fächer entlangwanderten.
    »Nur mir«, erwiderte sie. »Und Ihnen.«
    Ich überflog die Etiketten so

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