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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Mantel, in meinem Innern, pulsierte leise ein Optimismus, der sich nicht dämpfen lassen wollte. Wenn der Vogel nun tatsächlich all die Jahre überstanden hatte? Es war immerhin möglich. Es war durchaus möglich. Plötzlich war die Straße vor uns frei, ich trat das Gaspedal durch, und die Tachonadel kletterte ganz langsam auf hundert.
    Als wir London hinter uns hatten, ließ der Regen nach, und nachdem ich die Scheibenwischer abgestellt hatte, ging der Lärm im Wagen in ein tiefes Brummen über.
    »Das ist verrückt, was wir da machen, das ist dir doch klar, oder?«, fragte ich Katya, noch mit erhobener Stimme.
    »Sicher.« Sie nickte lächelnd. »Aber es macht Spaß, loszufahren und was zu suchen.«
    Ich musste lächeln, teils in ihre Richtung, teils zur Straße hin. »Das hab ich den Leuten auch immer gesagt. Ich war sechs Jahre im Regenwald und hab Sachen gesucht.«
    »Was für Sachen?«
    »Vögel, Pflanzen. Kontakte. Das war erblich bedingt. Bei meinem Großvater war es genauso. Und bei meinem Vater auch. Es sind sogar Käfer nach den beiden benannt worden, hast du das gewusst? Da konnte ich doch nicht zurückstehen.«
    Ich musste lachen, und Katya lachte mit.
    »Und was hast du gefunden?«
    Ich zuckte die Schultern. »Nicht viel. Mit fünfundzwanzig hab ich einen Aufsatz über eine bestimmte Laubfroschart geschrieben, die durch Abholzungen fünfhundert Kilometer flussaufwärts schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das hat damals ziemlich viel Staub aufgewirbelt, jedenfalls in Fachkreisen. Ich hab auch ein paar Vorträge darüber gehalten. Nur, abgeholzt wurde weiter. Als ich das nächste Mal hinkam, waren keine Frösche mehr da.«
    Katya sah mich an, durch meinen Ton verunsichert.
    »Aber du hattest doch gute Arbeit geleistet, oder?«
    »Wissenschaftlich schon. Den Fröschen hat das aber nicht viel genützt.« Ich schwieg einen Moment, weil ich nicht wusste, wie viel ich erzählen sollte. »Damals fingen, glaube ich, die Probleme zwischen Gabriella und mir an. Wir hatten uns dort kennen gelernt. Wir haben zusammengearbeitet und Regenwaldschutzgebiete eingerichtet. Aber nach der Sache mit den Fröschen hab ich mich gefragt, ob wir nicht alles falsch machten. Wir haben nur die Symptome behandelt. Die Krankheit selbst war so viel größer: Bevölkerungswachstum, Konsumnachfrage, all so was. Ich hab angefangen, den Leuten zu erzählen, dass Schutzgebiete nicht die Lösung sind, sondern nur Heftpflaster für unser Gewissen. Wir hätten die ganzen Gelder dafür verwenden sollen, die Ursachen zu bekämpfen.«
    Katya sah mich unter ihrem Pony hervor unverwandt an. Mit einer Hand hielt sie sich den Mantel am Hals zu, den anderen Arm hatte sie um ihren Oberkörper geschlungen.
    »Und deswegen habt ihr euch zerstritten? Ihr wart doch auf derselben Seite...«
    »Nicht nur deswegen. Da kam eins zum anderen...« Ich wollte noch mehr sagen, aber ich war zu zögerlich oder zu schüchtern oder zu sehr aus der Übung. »So ist es ja immer, nicht?«, schloss ich lahm. »Jedenfalls haben sich unsere Wege getrennt. Gabriella ist im Regenwald geblieben, und ich hab mich mit meinen Notizbüchern aufgemacht, um die Überreste ausgestorbener Vögel aufzuspüren. Ich dachte mir, wenn wir sie ausrotten, dann sind wir es der Zukunft schuldig, wenigstens Beweise ihrer Existenz aufzubewahren, zu zeigen, wie sie ausgesehen haben.« Ich lächelte. »Ein bisschen manisch war ich schon. Es war eine schwierige Zeit. Nach ein paar Jahren hab ich mich wieder beruhigt und bin hierher zurückgekehrt, um mit mir ins Reine zu kommen. Aber das ist alles lange her.«
    Ich lächelte ein wenig kläglich, und bevor Katya etwas sagen konnte, fing es wieder an zu regnen, und die Scheibenwischer beendeten das Gespräch.
    Die Mittagszeit war schon fast um, als wir nach Stamford hineinfuhren. Noch immer von Optimismus beflügelt, fanden wir nahe dem Bahnhof ein Pub mit einem Schild, auf dem »Kleine Gerichte, Snacks, Übernachtung mit Frühstück« stand. Die Frau drinnen wirkte ein wenig überrascht, als wir zwei Zimmer verlangten - ob sie Mutmaßungen über unsere Beziehung anstellte oder sich einfach nur wunderte, dass überhaupt jemand hier übernachten wollte, war nicht zu erkennen. Wir ließen unsere Taschen vorerst unausgepackt, gingen zum Essen in ein Café und machten Pläne. Bevor das Essen kam, rief ich noch in der Universität an, um zu sagen, wo ich zu erreichen war, für den Fall, dass Gabriella mich sprechen wollte.
    Noch immer von einer

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