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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Welle der Zuversicht getragen und von zwei Tassen starken Kaffees beflügelt, kamen wir überein, uns zu trennen. Katya wollte ins Stadtarchiv, ich würde mir bei der Touristeninformation den Weg zum Old Manor erklären lassen. Dort stellte sich jedoch heraus, dass die Sache nicht so einfach war. Das Büro war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte: jede Menge falsches Kiefernholz, und ein Geruch nach Putzmitteln und billigem Teppichboden. An der Wand stand das übliche Regal mit all den Faltblättern und Broschüren. Dort fing ich an, halb in der Erwartung, auch gleich zu finden, wonach ich suchte. Mein Herumstöbern förderte jedoch nichts Brauchbares zutage, und so wartete ich höflich, bis ein potenzieller Bahnreisender, der die Frau hinter der Theke mit Beschlag belegt hatte, endlich ging. Sie sah hoch und fing meinen Blick auf, als er die Tür hinter sich zuknallen ließ.
    »Für Zugverbindungen bin ich nicht zuständig«, sagte sie mit einem melancholischen Lächeln. »Ich wollte nur helfen.«
    Als ich ihr sagte, dass ich auf der Suche nach einem Haus namens Old Manor sei, verschwand das Lächeln, und sie sah mich an, als wollte ich sie auf den Arm nehmen.
    »Was soll das?«, fragte sie. »Vor ein paar Tagen war jemand hier, der wollte genau das Gleiche wissen.«
    Eine leise Beunruhigung beschlich mich.
    »Ist das so ungewöhnlich?«
    »An sich nicht«, erwiderte sie, noch immer argwöhnisch. »Nur bin ich mir nicht sicher, ob es ein Old Manor überhaupt gibt.«
    Ich weiß nicht, wie enttäuscht ich dreinschaute, jedenfalls sah sie sich veranlasst, mir von dem anderen Besucher zu erzählen. Sie illustrierte ihren Bericht mit einer Reihe von Faltblättern, und bald hielt ich ein Dutzend Prospekte von alten Häusern der Umgebung in der Hand.
    »Das hier könnte es am ehesten sein.« Sie zeigte auf eines von ihnen. »Das Old Grange. Überwiegend Tudor. Gleich nördlich von hier.«
    Ich nickte höflich. »War dieser Besucher ziemlich groß? Ein Skandinavier?«, fragte ich und glaubte die Antwort schon zu wissen.
    »Nein, überhaupt nicht.« Wieder sah sie mich so seltsam an. »Er war Amerikaner. Sehr höflich. Mit Brille - so kleine runde Gläser. Schon älter. Sagen Sie mir jetzt, was das alles soll?«
    Ich erklärte ihr, dass ich die Geschichte einer Familie namens Ainsby zurückverfolgte, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in der Gegend gelebt habe. Der Name sagte ihr nichts, aber sie beschrieb mir den Weg zum Stadtarchiv. Den habe sie auch dem höflichen Amerikaner beschrieben.
     
    Es regnete, von kurzen Pausen abgesehen, fast den ganzen Tag. Um sechs zogen Katya und ich uns ins Bahnhofspub zurück. Bei Dunkelheit sah es dort sehr viel besser aus: Im Kamin brannte ein Gasfeuer, und dank der vielen kleinen roten Lampenschirme sah man die Flecken an der Wand nicht so. Es war herrlich warm hier nach dem kalten Regen des Lincolnshire-Abends draußen, und wir gingen sogar das Risiko ein, an der Bar etwas zu essen zu bestellen. Dann setzten wir uns mit einem großen Glas Rotwein und einem Pint dunklem Bier aus der Gegend in eine Ecke neben dem Kamin.
    Im Stadtarchiv hatte Katya erfahren, was ich schon befürchtet hatte. Für das Jahr 1914 und - so weit man es überblicken konnte - auch für keinen anderen Zeitraum war irgendetwas über eine Familie des Namens Ainsby in oder um Stamford zu finden. Katya hatte drei Stunden und das gute Zureden zweier Bibliothekarinnen gebraucht, um sich mit diesem Umstand abzufinden. Wir hatten entschieden die nichtigste Niete gezogen, die man sich vorstellen konnte.
    Trotzdem verzehrten wir recht vergnügt unser Essen, ergingen uns in wilden Spekulationen und versuchten, zwei und zwei zusammenzuzählen. Waren die Fotokopien eine Fälschung? Das mochten wir beide nicht glauben. Von Hans Michaels’ Zeichnung abgesehen, waren sie der einzige Anhaltspunkt, den wir hatten. Wir nahmen uns vor, es am nächsten Tag noch einmal zu versuchen, ein bisschen tiefer zu graben. Danach überkam uns plötzlich eine gewisse Befangenheit, und als Katya beschloss, früh schlafen zu gehen, blieb ich mit einem weiteren Pint zurück. Ich erwog gerade die Möglichkeit eines dritten, als ein kalter Luftzug mich aufblicken ließ. Ein rundlicher kleiner Mann hatte das Pub betreten; nach dem Zustand seines Regenmantels zu schließen, hatte sich das Wetter draußen inzwischen noch weiter verschlechtert. Es wurde von Minute zu Minute angenehmer in der Bar, und das Gasfeuer neben mir loderte und zischte

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