Die Pflanzenmalerin
Du und der alte Mann in dem Café dagegen... Ich dachte schon, der lässt sich nicht davon abhalten, mit uns zurückzufahren. <
Die Scheinwerfer der Autos, die uns entgegenkamen, beleuchteten Katyas Gesicht. »Ich musste doch nett sein. So wie der aussah, wohnt er wahrscheinlich schon seit 1914 in der Gegend. Und apropos: Die Frau im Old Grange, die war schon sehr angetan von dir. Sie hat jedes Mal gekichert, wenn du sie was gefragt hast.<
Wir parkten am Bahnhof und fanden ein italienisches Restaurant, wo wir bei gedämpfter Beleuchtung und einer Flasche Wein immer noch über uns selbst lachen mussten. Nach einigen Gläsern schob ich die Speisekarten zur Seite und holte die Fotokopien hervor, die ich am Abend zuvor gelesen hatte.
»Wir hatten doch herausgefunden, dass Banks kurz nach seiner Reise mit Cook eine Geliebte hatte. Ich hab noch weiterrecherchiert, und rate mal, was ich gefunden habe.«
»Was?«
»Nichts. Und das ist das Interessante. In allen Büchern über ihn scheint sie nur zwischen den Zeilen zu existieren. Sie wird zwar erwähnt, aber nirgendwo steht Genaueres. Man weiß nicht einmal ihren Namen. Hier, lies.<
Das erste Blatt war die Kopie einer Seite aus einer älteren Banks-Biografie von einem gewissen Havelock. Sie stammte aus einem Kapitel, das sich mit den ersten Jahren nach Banks’ Rückkehr von seiner Reise um die Welt befasste. Ich hatte die Passage, die mich interessierte, angestrichen.
Wenig ist über Banks’ Privatleben nach der Auflösung seiner Verlobung mit Miss Blosset bekannt. Er schien es zufrieden, Gedanken an die Ehe auf später zu verschieben und seine Energien auf seine wissenschaftliche Berufung zu konzentrieren. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass ein so reicher und gut aussehender junger Mann das schöne Geschlecht gänzlich ignoriert hätte, und so überrascht es vielleicht nicht, dass von einer Geliebten die Rede war. Das Town & Country Magazine , eine vulgäre Zeitschrift, die keine Gelegenheit ausließ, Männer wie Banks zu verunglimpfen, nannte sie nur Miss B---n und deutete an, dass Banks ihr hinreichend zugetan war, um sie in einem Haus in der Orchard Street unterzubringen. Doch was der Klatsch auch behauptet haben mag - es war nur eine flüchtige Affäre, denn nach 1774 wird sie nicht mehr erwähnt. Zum Glück lenkten dergleichen Abenteuer Banks nicht von seinen wissenschaftlichen Pflichten ab …
»Wissenschaftliche Pflichten! Arroganter Schnösel!« Katya kniff die Augen zusammen und stieß ein leises Knurren aus. »Hoffentlich hat keine Angehörige des schönen Geschlechts Havelock jemals von seiner Arbeit abzulenken versucht.<
»Wohl kaum, seinem Stil nach zu urteilen.«
Sie blätterte zur zweiten Kopie, einer Seite aus einer neueren Biografie.
Banks starb kinderlos, doch seine Affäre mit Miss B---n blieb offenbar nicht ohne Folgen, zumindest wenn man den Klatschkolumnisten der damaligen Zeit Glauben schenkt. In diesem Fall handelte es sich möglicherweise nicht nur um böswilliges Gerede. Ein Brief von Johann Fabricius an Banks aus dem Jahr 1773 scheint die Gerüchte zu bestätigen; Fabricius hatte in den 1770er Jahren über lange Zeit Banks’ Sammlung studiert. »Meine besten Empfehlungen und Wünsche in die Orchard Street. Was hat sie Ihnen geschenkt? Doch wie auch immer - ist es ein Junge, wird er stark und gescheit werden wie sein Vater, ist es ein Mädchen, wird sie vornehm und hübsch werden wie ihre Mutter.« Davon abgesehen, findet sich keine weitere Erwähnung von Mutter oder Kind. Ob die Affäre in beiderseitigem Einvernehmen oder durch Tod im Kindbett ein Ende fand - fest steht, dass sie 1774 zu Ende war.
Katya schob mir das Blatt zu und zog die Augenbrauen hoch.
»Gibt es irgendwo ein Bild von ihr?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht. Wir sollten das überprüfen.<
Katya schien sich nicht so sicher zu sein. »Traurige Geschichte«, sagte sie. »Aber vom praktischen Standpunkt aus betrachtet, können wir die Frau, wenn sie 1774 nicht mehr aktuell war, von unserer Liste der Verdächtigen streichen. Der Ulieta-Vogel ist ja erst ein paar Jahre später ins Land gekommen.«
Ich nickte. Einen Moment lang hatte ich gar nicht mehr an den Vogel gedacht, sondern an ein Leben, von dem nichts überliefert ist, daran, wie zerbrechlich menschliche Zärtlichkeit ist. »Ja, das ist wirklich traurig«, sagte ich. »Traurig, dass man nicht einmal ihren Namen kennt.<
Katya schenkte uns wieder ein und hob ihr Glas.
»Aufs Rätsellösen«, sagte
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