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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Wo sich ein alter Freund aus London dann und wann zum Tee einfinden konnte. Richmond, wo im Sommer 1773 die Ankunft der ruhigen, unauffälligen Miss Brown bei der tauben alten Mrs. Jenkins, der Witwe eines Pensionärs aus Revesby, erfreulicherweise weitgehend unbemerkt verlief.
     
    Sie nahm Martha als Dienstmädchen und Begleiterin mit. Gemeinsam machten sie sich daran zu lernen, was sie lernen mussten: die Konventionen, die es zu beachten galt, die Regeln, die einzuhalten waren, den Umgang mit Freiheiten, die keine von beiden je gekannt hatte. Und man ließ ihnen Zeit, sich zurechtzufinden. Bestrebt, sich als selbstloser Wohltäter zu erweisen, kam Banks zwar selten, schrieb aber häufig und ließ es sich angelegen sein, ihnen alles zukommen zu lassen, was sie brauchten. An einem Morgen drei Wochen nach ihrer Ankunft aus Lincolnshire trafen fünf große Pakete mit allem nur erdenklichen Zeichen- und Malbedarf für Miss Brown ein. Sie verbrachte den Vormittag mit Auspacken und strich andächtig über jeden einzelnen Gegenstand, voll ehrfürchtigem Staunen, dass sie die Empfängerin solchen Reichtums sein sollte. Wenn sie viele Jahre später an diese Wochen zurückdachte, schien es ihr stets, als sei das alles einer anderen widerfahren, einer, die wenig mit ihr gemein hatte. Von dem Augenblick an, da sie den Kirchhof von Louth betreten und den berühmten Joseph Banks dort hatte knien sehen, als hätte sie ihn herbeizitiert, erschien ihr nichts mehr ganz real.
    Er hatte rasch gehandelt nach ihrer Begegnung in Lincolnshire, gleichsam angespornt von dem Gedanken an Ponsonbys Besuche in dem Haus in Louth. Auf der Suche nach einer Familie, bei der sie sich schicklicherweise aufhalten konnte, war er schnell auf Mrs. Jenkins gestoßen, die alternde Witwe eines langjährigen Verwalters seines Vaters, für deren kleines Haus am Rand von Richmond das Gut Revesby aufkam. Sie war weder eine Klatschbase noch eine Wichtigtuerin und als gebrechliche alte Dame froh über wohl erzogene Gesellschaft. Nachdem alles geregelt war, stellte Banks eine Kutsche und Mittel für die Reise bereit. Er sparte weder Zeit noch Geld, und Solander, der diesen Akt der Philanthropie, ausgeführt mit der Präzision und dem Tempo eines Angriffs zur See, beobachtete, begann sich zu fragen, wem all das zugute kommen mochte. Nach wenigen Tagen schon gab Banks in Louth Bescheid, dass alles bereit sei.
    Es blieb ihr überlassen zu entscheiden, wie sie ihren Weggang aus dem Haus, in dem John Ponsonby sie untergebracht hatte, handhaben würde. Unschlüssig, wie sie vorgehen sollte, und ohne zu wissen, was geschehen würde, beschloss sie, ihm zu schreiben, sie werde nach London gehen. Der Ton ihres Briefes war förmlich, doch als er nur wenige Stunden später eintraf, riss er diese Förmlichkeit in Fetzen, schrie, stellte Fragen, schritt auf und ab, flehte sie an, ihm zu sagen, was sie vorhabe. Doch sie tat es nicht, und als sie ihn so wüten sah, überkam sie tiefe Traurigkeit bei dem Gedanken an die Vertrautheit, die sie mit ihm geteilt hatte - mit diesem so fehlbaren, verwirrten Fremden. Ja, dachte sie, noch immer ein Fremder, trotz allem, denn dass er ein Fremder blieb, war ihr stets ein Bedürfnis gewesen. Sie erwartete, dass er ihr drohen würde, ihr verbieten zu gehen, sie daran erinnern, was sie ihm schuldete. Nach einer Weile aber wurde er ruhig und wandte sich ab. Sie hörte ihn tief atmen und wartete, dass er sprechen würde, so wie sie, als sie fünfzehn war, schon einmal gewartet hatte. Diesmal aber, so wurde ihr bewusst, war alles anders.
    »Ich habe dir immer gesagt, dass du jederzeit gehen kannst«, sagte er schließlich. »Und ich werde mein Wort nun nicht brechen. Erweise mir die Freundlichkeit, und lass es mich wissen, wenn du irgendetwas benötigst, was dir die Reise erleichtern kann.«
    Seine Stimme sank, wurde zu einer Stimme, die sie kaum wiedererkannte.
    »Dich so plötzlich zu verlieren ist schwer zu begreifen, doch ich habe immer damit gerechnet. Ich habe versucht, es mir nicht anmerken zu lassen, um unser beider willen, aber mir ist bewusst, dass es nicht deine Entscheidung war, mit mir hier zu sein. Ich habe dir einmal gesagt, du seiest fehl am Platz in Revesby; wie sehr du auch an mich verschwendet bist, habe ich nie auszusprechen gewagt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein anderer das erkannte, so wie ich selbst es einst erkannt habe. Ich hoffe, er weiß um deinen Wert. Und er sollte auch wissen, dass du eines Tages vielleicht

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