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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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einen anderen finden wirst, der deine Zuwendung mehr verdient als er.«
    Er drehte sich um und versuchte zu lächeln, vermochte es aber nicht. Tränen standen in seinen Augen, als er fortfuhr:
    »Du schuldest mir nichts, ich aber schulde dir sehr viel. Die zwei Jahre mit dir habe ich nicht verdient, und ich werde sie nie vergessen.«
    Sie betrachtete ihn, wie er so vor ihr stand, klein und unglücklich mit einem Mal, und die hohe Mauer der Zurückhaltung, die sie ihm gegenüber stets gewahrt hatte, begann zu bröckeln. Ihr Körper gehörte wieder ihr. So vieles würde sie ihm nie verzeihen, doch zugleich fühlte sie nun ein Verzeihen in sich, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.
    Am nächsten Tag verließ sie Lincolnshire.
     
    Banks betrachtete es als einen Akt noblen Edelmuts, dass er sie aus Louth fortgebracht hatte. In der Euphorie jener Tage des Ruhms und Aufstiegs war er bereit, die Anspielungen seiner Freunde zu ignorieren, weil er wusste, dass er selbstlos gehandelt hatte, um ein Unrecht wieder gutzumachen. Solange er mit seinen Londoner Angelegenheiten beschäftigt war, kam es ihm gelegen, nicht viel mehr in ihr zu sehen als ein Vehikel seiner Großmut, eine Kuriosität, die er entdeckt hatte und unterstützte. War er aber bei ihr, wurden die Dinge sehr viel komplizierter.
    Jedes Mal, wenn er nach Richmond kam, nahm er sich vor, die Rolle des bescheidenen Wohltäters zu spielen, der mit gebührendem Anstand jede Dankbarkeitsbezeugung abwehrt. Doch es kam stets anders. Bei seinem zweiten Besuch wohnte sie bereits sieben Wochen in Richmond, und ein ihm unbekanntes, sehr junges Dienstmädchen öffnete die Tür und geleitete ihn in einen kleinen Salon. Dort wartete er, und er wartete, wie ihm schien, unverzeihlich lange. Die zuvorkommenden Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, entfielen ihm. Endlich vernahm er vom Flur her eine lachende Frauenstimme, und als er sie erkannte, öffnete sich auch schon die Tür, gerade so weit, dass ein Kopf hindurchpasste.
    »Es tut mir Leid, Sir, aber Sie sind Opfer eines Missverständnisses geworden«, lachte sie. »Warten Sie schon sehr lange?«
    Er versuchte, die Würde des gekränkten Wohltäters aufzubieten. »Volle zehn Minuten, glaube ich.«
    Sie lachte wieder, offensichtlich unbeeindruckt von seinem Gebaren.
    »Das war dumm von mir. Es tut mir Leid. Ich habe Jenny gesagt, dass ich beschäftigt bin und gleich herunterkomme, aber dann habe ich wieder alles um mich herum vergessen. Sie hätte Ihnen sagen sollen, dass ich arbeite.«
    »Und wenn sie es getan hätte? Zehn Minuten wären dann immer noch zehn Minuten gewesen.« Sie sahen einander jetzt in die Augen, und seine Steifheit erschien ihm nachgerade lächerlich.
    »Wirklich, Sir.« Sie trat nun vollends ein, und er sah, dass sie in Gesellschaftskleidung war, ein Anblick, den er noch nicht gewöhnt war. Ihr Haar war hochfrisiert wie das der Damen seiner Bekanntschaft, und doch sah sie anders aus. »Wirklich, ich dachte, wenn Sie hören, dass ich arbeite, würden Sie nach einiger Zeit selbst den Weg nach oben finden. Sie haben mich schon öfter zeichnen sehen, wenn ich mich recht erinnere. Und Sie dürfen mich jederzeit stören.«
    »Ich würde mir nie erlauben...«
    »Natürlich nicht«, unterbrach sie ihn mit lachender Stimme, doch ihr Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. »Das hieße ja, Sie würden Ihre Position ausnutzen. Ich hätte wissen müssen, dass Sie das nie tun würden. Aber im Ernst, Sir« - ihre Stimme klang wieder hell - »ich entbinde Sie von solchen Skrupeln. Wenn ich gut zeichnen soll, kann ich nicht ständig hinunterlaufen und Konversation machen.«
    Er zögerte - der junge Mann in ihm lag im Kampf mit dem weisen Wohltäter -, doch dann lächelte er, und sein ganzes Gesicht veränderte sich.
    »Ich würde Sie sehr gerne arbeiten sehen«, sagte er.
    Sie kam ihm wie ein völlig neuer Mensch vor, als hätte sie die schützende Zurückhaltung, die er einst an ihr bemerkt hatte, energisch abgeworfen. Dahinter fand er ein Lachen, das er noch nicht kannte, und eine Art Wildheit, die er nie vermutet hätte.
    Sie zeigte ihm den Raum im ersten Stock, in dem sie ihre Zeichenutensilien ausgebreitet hatte. Mrs. Jenkins, so erklärte sie, benutze wenig mehr als ein einziges Zimmer im hinteren Teil des Hauses, wo sie die meiste Zeit zu Bett liege. »Meine Anwesenheit hier gestattet es ihr, ihre Gebrechlichkeit zu pflegen. Vormittags sitze ich lange bei ihr, oder ich erledige Dinge für sie, aber

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