Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
Vom Netzwerk:
neigte, öffneten sich ihre Augen weit und sagten Ja. Da streckte er die Hand aus und berührte ihre Wange, und eine Stimme in seinem Kopf, die er noch nie vernommen hatte, flüsterte: »Das ist Liebe.« Er neigte sich weiter zu ihr. Sie sah seinen bittenden Blick, und als sie die erste warme Berührung seiner Lippen spürte, regte sich auch ihr Mund leise unter seinem, und wie von weither hörte sie die Worte: »Ich liebe dich.«

11
    In Lincoln
    Katya flog nach Schweden und ließ mich voller Sorge zurück. Zwei Tage angestrengter Suche hatten nichts gebracht. Es gab keine Archive mehr in der Stadt, die wir noch nicht aufgesucht hatten, und wir hatten noch immer keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass Miss B. 1772 in London gestorben war. Aber wenn sie nicht gestorben war, wo war sie dann geblieben? Sie konnte innerhalb Londons umgezogen sein, zu einem anderen Mann, unter anderem Namen, in einen anderen Bezirk. Selbst wenn wir gewusst hätten, wofür das B stand, war es immer noch unmöglich, sie zu finden. Statt weiter gegen die Vergeblichkeit dieses Unterfangens anzurennen, beschloss ich deshalb, ein bisschen zu spekulieren. Wenn wir schon nicht herausbekamen, wohin sie gegangen war, konnten wir vielleicht wenigstens herausbekommen, woher sie gekommen war. Das schien gar nicht so aussichtslos zu sein. Dem Town & Country Magazine zufolge hatte Banks sie schon vor seiner Reise mit Cook gekannt, als sie noch im Schulalter war. Ich neigte zwar dazu, den Artikel mit Vorsicht zu genießen, aber ein Körnchen Wahrheit musste er doch enthalten. Als Banks drei Jahre später zurückkehrte, war sie alt genug, seine Geliebte zu werden, was bedeutete, dass sie bei seiner Abreise zwischen dreizehn und sechzehn gewesen sein musste. Nach meiner Rechnung war sie also irgendwann zwischen 1752 und 1755 geboren.
    Was konnte ich noch herauskriegen? Nach seiner Rückkehr war es Banks ein Bedürfnis gewesen, sie aus ihrer finanziellen Notlage zu befreien und ihr wieder ein gewisses gesellschaftliches Ansehen zu verschaffen, sodass sie, wenn auch verarmt, so doch nicht ausgegrenzt war. Aber wo hatte sich der reiche Joseph Banks mit einem so jungen Mädchen aus so armen Verhältnissen getroffen? Als junger Lebemann musste er Freunde mit jüngeren Schwestern gehabt haben, doch dass sie gestorben waren und ihre Schwestern mittellos zurückgelassen hatten, war ganz und gar unwahrscheinlich. Und wenn doch, dann wäre bestimmt darüber geklatscht worden. Eine solche Verbindung wäre schwer geheim zu halten gewesen.
    Sie konnte natürlich auch die Tochter eines Handwerkers gewesen sein oder eines der Gelehrten, mit denen Banks zu tun hatte. Ich war aber nicht recht überzeugt, dass junge Aristokraten so ohne weiteres Beziehungen mit Handwerkerstöchtern eingegangen waren. Fürs Erste hoffte ich, es würde nicht der Fall sein. Die Möglichkeit, auf die ich immer wieder zurückkam, war eine ganz andere: Lincolnshire.
    Banks erbte Revesby Abbey schon als junger Mann, und er nahm seine Pflichten ernst. Er musste die prekäre finanzielle Lage der Familien auf seinen Gütern gekannt haben, und es wäre für einen wohltätigen Grundbesitzer nicht ungewöhnlich gewesen, sich eines verwaisten jungen Mädchens anzunehmen, dessen Familie einmal in seiner Nachbarschaft gelebt hatte. Revesby musste ein relativ kleines Dorf gewesen sein, klein genug jedenfalls, um eine Recherche in den Kirchenbüchern sinnvoll erscheinen zu lassen. Auch ohne einen vollständigen Namen war dort vielleicht etwas zu finden.
    Von der Auskunft erhielt ich die Telefonnummer des Grafschaftsarchivs von Lincolnshire, und die Frau, mit der ich dort sprach, war ungeheuer hilfsbereit. Ja, sagte sie, die Kirchenbücher von Revesby müssten sie dahaben. Sie werde nachsehen. Nach einer Weile kam sie wieder. Ja, sie hätten die Bücher auf Mikrofilm, ich könne während der Öffnungszeiten jederzeit vorbeikommen.
    Ich glaube, ihre Hilfsbereitschaft gab den Ausschlag. Es klang, als sei alles möglich. Ich hatte ein paar Tage zur freien Verfügung und noch die Schlüssel zu dem rostigen gelben Auto. Am nächsten Tag fuhr ich los.
    Lincoln ist eine eindrucksvolle Stadt. Der Hügel, auf dem sie liegt, schwingt sich aus dem flachen Land ringsum empor und wird von der Kathedrale mit ihren himmelwärts strebenden Linien gekrönt. Im neueren Teil der Stadt am Fuße des Hügels findet man außer einer Menge moderner Geschäfte ein Labyrinth von Einbahnstraßen, das mich schließlich in ein Parkhaus

Weitere Kostenlose Bücher