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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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gewesen war, ich würde ihn finden. Ich würde die Polizei rufen, ihr Andersons Namen nennen, sie dazu bringen herauszufinden, was hier los war. Ihm selbst würde ich sagen, dass es bei mir nichts zu holen gab, denn auch das machte mich wütend: die Sinnlosigkeit des Ganzen. Meine Notizen bargen keine Geheimnisse. Ich wusste nichts und konnte niemandem helfen. Und das erboste mich noch mehr.
    Sonst schien in der Küche alles in Ordnung zu sein, ebenso im Flur. Auch meine Werkstatt war unberührt, Werkzeug und Chemikalien fein säuberlich in ihren Schränken aufgereiht. Dann also im Schlafzimmer … Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal, konnte es kaum erwarten, das Schlimmste zu erfahren. Diesmal hatte ich kein Glück gehabt, keine übertriebene Ordnung gab mir Rätsel auf. Das Zimmer war durchwühlt worden.
    Das Schlimmste war das Papier. Meine alte Truhe war in die Mitte des Raumes geschleift worden, ihr Inhalt über das ganze Zimmer verteilt. Sämtliche Notizen über ausgestorbene Vögel, die meisten seit fünfzehn Jahren unberührt, lagen in heillosem Durcheinander. Richtig geordnet hatte ich sie zwar nie, aber wenigstens nach einer rudimentären Logik gebündelt. Jetzt waren sie in alle Himmelsrichtungen verstreut, eine wahllose Diaspora, ein letztes trunkenes Flattern flugunfähiger Flügel. Keine zwei aufeinander folgenden Seiten waren zusammengeblieben. Jemand hatte sich jede einzelne angesehen und woandershin geworfen. Gefunden hatte er nichts. Das wusste ich. Es gab nichts zu finden.
    Mein Herz klopfte unangenehm schnell, als ich mir die Bescherung ansah. Die Wut in meinem Bauch hatte sich zu einem dicken Knoten verfestigt. Ich würde die Polizei rufen, jetzt sofort, sie auf den Täter ansetzen, und ich würde wieder nach Lincoln fahren, zu Anderson gehen und ihm klar machen, was ich von ihm hielt. Waren das die Methoden seiner »Rechercheure«? Nun, man würde sehen. Man würde sehen, was ein paar polizeiliche Verhöre ergeben würden …
    Aber ich griff nicht zum Hörer. Stattdessen setzte ich mich auf die Bettkante und holte tief Luft. Genaueres konnte man unmöglich wissen, aber mir kam doch der Gedanke, dass trotz des Chaos vielleicht gar nichts fehlte. Nichts hatte sich mitzunehmen gelohnt. Was sollte ich der Polizei da melden? Einen weiteren Einbruch ohne Diebstahl? Ein Fenster, das nicht richtig schloss? Ein müder junger Polizist würde mir sagen, ich hätte noch Glück gehabt. Ich solle anständige Riegel besorgen. Ja, ich würde den Vorfall melden. Aber erst wollte ich nachdenken.
    Vor diesem Abend hatte Andersons Geschichte von dem verschollenen Vogel alte Emotionen in mir aufgerührt, Emotionen, die wohl besser dort geblieben wären, wo ich sie begraben hatte. Doch mit meiner Wut stellte sich nun auch eine ungewohnte Klarheit ein. Als ich mich in dem durchwühlten Zimmer umsah, wurde mir bewusst, warum es mir so wichtig war, den Ulieta-Vogel zu finden. Nicht für die Nachwelt, nicht für die Wissenschaft, nicht einmal um des Entdeckerruhmes willen. Nein, für mich selbst wollte ich ihn finden, um einen schon allzu lange bestehenden, fünfzehn Jahre lang geflissentlich ignorierten Hohlraum der Unzufriedenheit in mir zu füllen, den die Flut der Ereignisse nun freigespült hatte. Der Unzufriedenheit, die mich beschlich, wenn ich das Foto auf meinem Nachttisch betrachtete oder an meine Zeit in Brasilien dachte. Den Vogel zu finden - ihn wider alle Logik in Händen zu halten - würde mein Beweis dafür sein, dass auch die vergänglichsten Dinge dem Vergessenwerden ein Schnippchen schlagen können.
    Noch mit diesen Gedanken beschäftigt, inspizierte ich flüchtig den Rest des Hauses. Erst als meine Gefühlsaufwallung sich langsam wieder legte, kehrte so etwas wie eine nüchterne Sicht der Dinge zurück und mit ihr die nackte Wahrheit: Die wenigen Anhaltspunkte, die ich besaß, führten nirgendwohin, und ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.
    Ich saß in der Küche, noch im Mantel, als das Telefon erneut klingelte. Ich erschrak und war versucht, nicht abzuheben, verspürte das dringende Bedürfnis, mit der Betrachtung meiner Hilflosigkeit in Ruhe gelassen zu werden. Doch als ich Katyas Stimme hörte, fühlte ich mich seltsam getröstet. Irgendwie klang sie fremd. Sie schien aufgeregt zu sein.
    »Fitz?«, begann sie. »Hör zu: Ich glaub, ich hab was gefunden.«
    Sie wartete meine Fragen gar nicht erst ab, ließ mir keine Zeit, etwas zu sagen.
    »Ich hab hier mal nachgeforscht. In den

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