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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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berufliche Erfolge verweisen konnte, würde er eine Frau finden, die bereit war, ihm eine Chance zu geben.
    Freilich keine Frau wie Paige. Nicht mal annähernd. Und das war auch in Ordnung, solange er nicht darüber nachdachte.
    Also zwang er sich, sie nicht zu oft anzuschauen.
    Aber dabei scheiterte er kläglich.
     
    Der offene Geländeabschnitt, am Ende doch über drei Meilen lang, mündete in ein Erlenwäldchen, an dem drei kleinere Täler von hoch oben zusammenliefen. Er hatte das Wäldchen eine Viertelmeile hinter sich gelassen und befand sich erneut auf freiem Gelände, als er wieder den Hubschrauber hörte. Ausgeschlossen, noch rechtzeitig in das Wäldchen zurückkehren zu können. Er versuchte es trotzdem.
    Verbissen hastete er über den unebenen Boden, während das Rotorgeräusch schon wie ein Trommeln auf Metallblech klang und der Hubschrauber in wenigen Sekunden auftauchen musste, als ihm etwa hundert Meter vor dem Wäldchen das Missgeschick unterlief, vor dem ihm schon die ganze Zeit gegraut hatte.
    Er sah es in dem Sekundenbruchteil, ehe sein Fuß auf dem Boden aufsetzte, und erkannte seinen Fehler, ohne ihn noch korrigieren zu können. Die matschige Stelle, nicht größer als ein Teller, war dunkel und feucht. Natürlich war die Erde am gesamten Abhang feucht, aber Graswurzeln verliehen ihr eine gewisse Festigkeit – dort, wo Gras wuchs. Travis hatte nur eine halbe Sekunde lang nicht aufgepasst, weil er oben am Bergkamm Ausschau nach dem Hubschrauber hielt.
    Sein Fuß landete auf der glitschigen Erde und rutschte zur Seite weg, wie über Eis.
    Er verlor das Gleichgewicht, geriet heillos ins Trudeln, und da wusste er, dass es vorbei war. Sie würden der Länge nach hinschlagen. Der Hubschrauber würde sie entdecken, ehe er sich wieder aufgerappelt, geschweige denn Paige vom Boden aufgehoben hatte. Und um es noch etwas spannender zu machen, befand sich dort vor ihm am Hang ein schartiger Felsen, ideal platziert, damit er sich im Stürzen noch den Schädel einschlug.
    Irgendwo aus dem Chaos seiner Gedanken löste sich der Eindruck heraus, über Eis zu gleiten. Er müsste dem Drall folgen. Sich mit ihm drehen statt dagegen. Es konnte dumm enden – aber was blieb ihm anderes übrig. Mit aller Kraft stemmte er seine Schultern gegen den Uhrzeigersinn, in Richtung der Drehung, und gewann so unvermittelt wieder festen Halt unter den Füßen, dass ihm kurz schwindelig wurde.
    Das Knattern der Rotorblätter klang inzwischen ganz nah. Jetzt konnten sie jede Sekunde auftauchen.
    Eine einzige Hoffnung hatte ihm unterwegs Mut gemacht: Die Männer in dem Hubschrauber hatten keine blasse Ahnung, wer ihre Freunde im Lager umgebrachthatte. Sie mussten annehmen, dass ein Überlebender dort aufgetaucht war, der sich im Flugzeug verborgen hatte, oder dass die Gefangenen den Spieß irgendwie umgedreht hatten. In jedem Fall würden sie davon ausgehen, dass die Flüchtlinge normal gekleidet wären, der Raumtemperatur in einer 747 gemäß. Mit dicker Trekkingmontur würden sie auf keinen Fall rechnen.
    Der etwa kniehohe Felsbrocken war nur einen Schritt weit entfernt. Travis drehte sich um und ließ sich mit Paige im Arm unsanft auf der Erde direkt davor nieder, sodass ihre Beine quer über seinem Schoß lagen. Seine dicke Jacke trug sie bereits, abzüglich eines Ärmels, damit Luft an die Wunde gelangte. Diesen, ihren rechten Arm, drückte er so an sich, dass er von oben aus der Luft nicht zu sehen war.
    Dann zog er ihr Gesicht an seines, dicht genug, um so das Trugbild zu erzeugen, das ihre einzige Überlebenschance darstellte: nämlich dass sie ein x-beliebiges Pärchen auf Wandertour in der Wildnis waren, das sich gerade heiß und innig küsste.
    Im selben Augenblick tauchte der Hubschrauber hinter dem nächstgelegenen Gebirgskamm auf, in scharfem Tempo unterwegs nach Norden. Dann hielt er in der Luft inne. Der Pilot hatte sie entdeckt. Travis nahm das Ding nur undeutlich wahr, weil Paiges Gesicht ihm die Sicht versperrte.
    Das Knattern der Rotorblätter wurde lauter, während die Maschine Kurs auf sie nahm und heranschwirrte.
    Travis schloss die Augen und bemühte sich auch sonst, den Kuss möglichst echt aussehen zu lassen. Mit einer Hand hielt er ihren Hinterkopf umfasst, die andere hatteer ihr um die Taille gelegt. Er drückte seinen Mund auf ihren. Dann schwirrten die Rotorblätter auch schon ohrenbetäubend laut direkt oberhalb von ihnen und peitschten ihnen das Haar so fest ins Gesicht, dass es wehtat.
    Dieser

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