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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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zu genau einem Ort führte. Ein Zielort war es nicht.
    Nein, wenn schon, dann lauerte die Gefahr im Verborgenen, hoch über dem Ort. Travis hob den Blick zu den Berghängen ringsherum: Sie waren so dicht mit Kiefern und Erlen bewaldet, dass eine eingehendere Suche zwecklos war. Unmöglich zu sagen, ob dort jemand auf der Lauer lag. Falls ja, war mit Schwierigkeiten zu rechnen, noch ehe Hilfe vor Ort eintraf, und Abwehr war das Gebot der Stunde. Hinten in seinem Hosenbund, verborgen unter seinem Hemd, steckte die 9-mm -Pistole aus dem feindlichen Lager, die einzige Waffe, die er mitgenommen hatte. Ein beruhigendes Gefühl.
    Er überquerte den Highway und hastete über den kiesbestreuten Parkplatz, vorbei an seinem Explorer, zwei Jeeps und einem gelben Landrover. Als er nur noch wenige Meter entfernt war, wurde im Restaurant ein beleibter Mann mit Baseballmütze auf ihn aufmerksam, schien kurz verwirrt und sprang dann auf, um ihm die Tür zu öffnen.
    «Was ist passiert?», rief ihm der Mann entgegen.
    Auch die übrigen Leute im Lokal kamen jetzt an die Fenster gestürzt und starrten hinaus, während Travis angelaufen kam.
    Unterwegs hatte er sich eine bereinigte Kurzfassung der Geschichte zurechtgelegt, und seine Erschöpfung brauchte er nicht vorzutäuschen.
    «Ich hab sie in einem Tal westlich von hier gefunden.» Zum ersten Mal seit zwanzig Stunden hörte erseine Stimme, die heiser und daher überaus glaubhaft klang. Sein Äußeres würde diesen Eindruck fraglos bestätigen.
    Travis trat durch die Tür, die der dicke Mann ihm aufhielt. Beim Anblick von Paiges Arm reagierten die Gäste ähnlich entsetzt, als würde er eine Tote hereintragen. Eine blonde Frau, die hinter dem Tresen hervorgekommen war – dem Schild an ihrer Bluse nach hieß sie Molly   –, stieß einen erstickten Schrei aus und wich so erschrocken zurück, dass sie dabei einen Zeitungsständer umriss.
    Dann redeten alle durcheinander. Eine kleine Frau hielt sich die Hand vor den Mund und blickte stumm, misstrauisch womöglich, zwischen Paige und Travis hin und her. Auch der Dicke mit der Mütze kam jetzt von der Tür herüber, zuckte bestürzt zurück, als er die Klammern in Paiges Arm sah, und fragte: «Was zum Teufel ist das denn?»
    «So habe ich sie gefunden», erklärte Travis über das allgemeine Stimmengewirr hinweg. «Sie hat kein Wort geredet, ich weiß nicht, wer das getan hat. Ich weiß gar nichts, rufen Sie einfach Hilfe, okay? Wie lange wird es dauern, bis Polizei und Rettungssanitäter hier eintreffen?»
    Die letzte Frage stellte er nur der Form halber – er hatte nicht vor, auf die Polizei oder sonst wen zu warten, geschweige denn Paige ihrem Schutz anzuvertrauen. Nicht einmal dann, falls sie vor den Leuten eintrafen, die Tangent herschicken würde.
    Aber es funktionierte. Das Misstrauen, das ihm anfangs entgegengeschlagen war, verflüchtigte sich. Molly stürzte bereits hinter den Tresen, griff zum Telefonhörerund wählte eine Nummer, die länger als der Notruf 911 war.
    «Die Polizei wird fünf, sechs Stunden brauchen», sagte der Dicke. «Autobahnpolizei gibt’s hier auf dem Dalton nicht. Der Rettungshubschrauber aus Fairbanks braucht mindestens anderthalb Stunden. Vor ein paar Jahren ist hier mal ein Fernfahrer reingetaumelt, der einen Herzanfall hatte, so lange hat’s damals gedauert, bis die hier waren.»
    Molly, die noch niemanden erreicht hatte, klemmte sich den Telefonhörer an die Schulter, nahm einen Schlüssel von einem Haken an der Wand und warf ihn dem Dicken zu. «Nummer drei ist sauber, da kann er sie aufs Bett legen.»
    Der Mann ging mit Travis zu einer Tür, die aus dem Restaurant in einen kurzen Flur mit einer Reihe von Zimmertüren führte.
    Zimmer drei war schlicht und sauber, durchs Fenster fiel der kupferrote Schein der Abendsonne quer übers Bett. Travis bettete Paige behutsam auf die Tagesdecke und achtete vor allem darauf, dass nichts gegen ihre Wunde drücken und einen Schock auslösen konnte. Die Veränderung ihrer Lage hatte aber auch so zur Folge, dass sie einen ihrer tiefen Atemzüge tat, bei dem sie fast zu ersticken schien.
    Der Mann mit der Mütze war an der Tür stehen geblieben.
    Travis wartete, bis Paige wieder halbwegs normal atmete, und fragte dann leise: «Haben Sie Waffen hier?»
    Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie der Mann sich ihm zuwandte.
    «In dem Lager, wo ich sie gefunden habe», sagte Travis,ohne den Blick von Paige abzuwenden, «waren Stiefelabdrücke, mindestens drei

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