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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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klang fürchterlich, weit schlimmer als vorhin, als er mit ihr am Highway stehen geblieben war. Ihr unversehrter Arm lag vor ihm; er nahm ihre Hand in beide Hände und schloss die Augen. Durch die offene Zimmertür drangen von nebenan die Geräusche der Baseballübertragung im Fernsehen herein.
    Der Fußboden im Flur knarrte. Travis schlug die Augen auf und wandte sich zur offenen Tür um. Niemand zu sehen. Wieder knarrte der Fußboden, weiter weg diesmal, näher zum Restaurant hin.
    Er hatte sich gerade wieder zu Paige umgedreht, als er ein pneumatisches Ploppen hörte, als würde ein Luftgewehr abgefeuert, und im Restaurant eine Frau aufkreischte. Dann war das Ploppen in rascher Folge zu hören, und panisches Geschrei erfüllte das Restaurant, auch Schmerzensschreie. Travis sprang auf, stieß den Stuhl beiseite und schnellte zur Tür herum. Gleichzeitig zog er die 9-mm -Pistole hinten aus seinem Hosenbund und brachte sie in Anschlag.
    In der kurzen Zeit, die er dafür benötigt hatte, war der Tumult im Restaurant verstummt. Nur das Schluchzen eines Mannes war noch zu hören, der um sein Leben flehte und immer wieder «Bitte, bitte» sagte. Ein letztes Ploppen, dann war nur noch der Fernseher zu hören.
    Travis wartete, die Pistole im Anschlag, genau zwischen Paige und der offenen Tür.
    Wieder knarrte der Fußboden im Flur.

12
    Es war immer wieder seltsam, einen Gegenstand in der Hand zu halten, wenn man den Anzug trug. In diesem Fall eine Heckler & Koch MK23 mit Schalldämpfer. Das leise Wippen, mit dem sie ihm beim Gehen voranschwebte, wirkte auf Karl fast so, als würde sie aus eigener Kraft dahingleiten. Einfach so durch die Luft gleiten.
    Die offene Tür befand sich drei Meter vor ihm, auf der linken Seite.
    Das würde nicht ganz einfach werden.
    Die Frau – die einzige Tangent-Angehörige hier und möglicherweise die Einzige, die irgendetwas wusste – war, ihrem Geröchel nach zu urteilen, dem Tode schon sehr nahe. Ihr Arm sah ausgesprochen übel aus, davon hatte er sich im Zimmer eben erst persönlich überzeugt, während der Typ, der bei ihr war, mit ihren Leuten telefonierte.
    Anscheinend ein unbeteiligter Wandertourist.
    Karl hatte einen klaren Befehl erhalten, der ihm aber angesichts der unübersichtlichen Lage auch einigen Spielraum ließ. Nach Kenntnis seiner Auftraggeber war Paige Campbell spurlos verschwunden, würde, falls überhaupt, irgendwann in Coldfoot auftauchen und hatte das Flüstern irgendwo in der Gegend zurückgelassen, wo sie gefoltert worden war. Sie konnte es unmöglich mitgenommen haben; der dazu erforderliche Schutzbehälter wäre für einen Transport zu Fuß viel zu schwer gewesen. Also musste sie es irgendwo in der Nähe des Lagers verborgen haben, in dem ihre sieben Kidnapper auf völlig unerklärliche Weise ums Leben gekommen waren und sie auf freien Fuß gelangt war.
    Dieses Rätsel ging Karl nichts an. Sie war jetzt hier, nur darauf kam es an. Sie und ihr neuer Freund. Von Belang war nun die Frage, ob Paige, nachdem sie drei Tagen Folter standgehalten hatte, bereit gewesen war, einem Fremden ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Wusste dieser Mann, wo sie das Flüstern verborgen hatte? Und, ebenso wichtig: Befand sich der Schlüssel jetzt im Besitz der beiden?
    Karl schob lautlos das Anzugoberteil hoch und steckte die Pistole ins Halfter. Nunmehr wieder unsichtbar, setzte er sich in Bewegung und war bemüht, sein Gewicht so behutsam zu verlagern, dass der Fußboden nicht knarrte. Er knarrte trotzdem. Nun, alte Holzdielen waren immer noch besser als Teppichboden. Denn dass seine Füße auf weichen Oberflächen Abdrücke hinterließen, war auch in diesem Wunderanzug nicht zu vermeiden.
    Vor der offenen Tür hätte er vor Schreck beinahe laut nach Luft geschnappt: Er starrte direkt in den Lauf einer Beretta, die der Wanderer keinen halben Meter vor ihm in der Hand hielt. Er riss sich zusammen und trat lautlos einen Schritt beiseite, aus der Schusslinie.
    Verdammt, wo kam denn die Knarre her? Davon war nicht die Rede gewesen, als der Typ vorhin den Fettwanst mit der Baseballmütze nach Waffen gefragt hatte.
    Karl starrte den Wanderer an. Erstaunlich, dass seine Hand mit der Waffe so gar nicht zitterte. Aus seinen Augen sprach Anspannung, aber keine Panik. Wäre jemand, der sichtbar war, in der Tür aufgetaucht, hätte der Typ ihn, ohne zu zögern, abgeknallt. Damit hätte Karl bei einem unbeteiligten Zivilisten eher nicht gerechnet. Tja, auf unliebsame Überraschungen musste man eben

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