Die Pforte
immer gefasst sein.
Er trat durch die Tür, auf den Mann zu, ohne dass der Fußboden knarrte, zum Glück. Ein weiterer lautloser Schritt, und er war dicht genug heran, um die linke Hand um den Lauf der Beretta platzieren zu können, ohne ihn jedoch schon zu berühren. Er spannte sich an, holte mit dem rechten Arm aus.
Travis wartete. Der Killer draußen im Flur musste jetzt ganz in der Nähe sein. Sollte er durch die Wand feuern? Er könnte alle zehn Zentimeter einen Schuss abgeben, dann wäre das Magazin leer. Wenn er aber alle Kugeln abfeuerte und sein Ziel trotzdem verfehlte – weil der Killer sich duckte oder sich doch noch weiter weg befand –, wäre alles verloren.
Seit etwa zehn Sekunden war es nun totenstill. Das war noch schlimmer als das Knarren.
Dann merkte er, wie die Pistole in seiner Hand auf einmal ruckartig nach unten kippte, wie angezogen von einem Supermagneten im Fußboden – doch ehe er noch begriff, was los war, traf ihn ein so heftiger Schmerz seitlich unterm Ohr, dass er Sternchen sah. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
Nach und nach kam er wieder zu sich. Was war passiert? Er lag bäuchlings auf dem Boden, mit gefesselten Knöcheln. Auch seine Hände waren gefesselt, auf seinem Rücken, mit dickem Klebeband anscheinend. Ein weiterer Streifen war um seinen Kopf gewickelt und bedeckte seine Augen.
Er befand sich noch im selben Zimmer, konnte Paige ganz in der Nähe hören. Ihr Röcheln klang schlimmer; wie viel Zeit war vergangen?
Jetzt fiel ihm wieder die rätselhafte Bewegung seiner Pistole ein, gefolgt von dem Schlag, der ihn aus dem Nichts am Kopf getroffen hatte. War das alles wirklich so passiert, oder war er noch zu benommen, um sich klar zu erinnern?
Eine tiefe, emotionslose Männerstimme drang an sein Ohr. «Sag mir, wo sie es versteckt hat.»
Travis überlegte fieberhaft. Viele Möglichkeiten hatte er nicht. Wenn er behauptete, nichts von einem Versteck zu wissen, und der Typ ihm glaubte, würde er sich stattdessen Paige zuwenden. Konnte sie überhaupt noch zu Bewusstsein gebracht werden? Vielleicht, wenn ihr genug Schmerz zugefügt wurde. Skrupel dürfte der Kerl da keine haben. Wenn Travis andererseits verriet, wo das Ding vergraben war, könnte der Kerl entscheiden, dass Paige jetzt entbehrlich war, und sie auf der Stelle töten. Wie er es auch drehte und wendete, im Grunde lief alles darauf hinaus, dass sie beide in der nächsten Stunde sterben würden.
Aber es gab noch eine Möglichkeit, die schlimmste, die zugleich am wahrscheinlichsten schien. Der Typ hier konnte mit Sicherheit Kontakt zu der Truppe im Tal aufnehmen. Mit dem Hubschrauber könnten sie in zwanzig Minuten hier sein, ihn und Paige an Bord schaffen und längst über alle Berge sein, wenn endlich Hilfe eintraf.
Wie lange mochte es noch dauern, bis Hilfe eintraf? Wie lange war er bewusstlos gewesen? Vielleicht könnte er irgendwie Zeit schinden, bis endlich jemand kam. Natürlich würden er und Paige nicht überleben – der Typ würde sie, ehe er die Flucht ergriff, abknallen, gar keine Frage –, aber zumindest wären sie dann auf der Stelle tot. Verglichen mit allem anderen, auf jeden Fall das kleinereÜbel. Schon zehn Minuten könnten genügen. Er musste es versuchen.
«Hat Spaß gemacht, Ihre Freunde umzubringen», sagte Travis.
Der Mann sagte nichts.
«Vor allem den kleinen Wicht mit dem Elektroschocker», fuhr er fort. «Obwohl ich den, rein technisch gesehen, gar nicht umgebracht habe. Er hat überlebt. Aber nur kurz. Sie hätten mal sehen sollen, was ihm dann noch so alles geblüht hat.»
«Es war angemessen, habe ich gehört», sagte die Stimme.
«Nein, angemessen wäre es gewesen, wenn er drei Tage bei lebendigem Leib hätte schmoren müssen.»
«Wo ist das Flüstern versteckt? Hat sie es irgendwo vergraben? Ohne Schutzbehälter wäre sie nicht weit damit gekommen, und sie hatte ja keinen.»
«Wir haben es eine Weile hin- und hergeworfen, bis uns langweilig wurde. Dann haben wir beschlossen, uns auf den Weg hierher zu machen. Es liegt wahrscheinlich noch da, wo wir es haben fallen lassen.»
Der Boden knarrte leise. Als der Mann wieder etwas sagte, klang seine Stimme erheblich näher. «Jemand in deiner Lage neigt normalerweise nicht zu sarkastischen Witzchen. Es wirkt sehr aufgesetzt auf mich, damit wird also irgendetwas bezweckt – und das verrät mir vorerst alles, was ich wissen muss.»
Dann hob er etwas hoch – schwer und aus Kunststoff, dem Geräusch nach, als es
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