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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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die Wand streifte – und ging aus dem Zimmer. Im Flur entfernte er sich einige Schritte, und Travis hörte das digitale Fiepsen einer Telefonnummer, die in eine Tastatur eingegeben wurde.
     
    «Er weiß, wo es ist», sagte Karl. «Und der Schlüssel steckt in seiner Jackentasche. Um ihn in Sicherheit zu wiegen, habe ich ihn vorläufig dort gelassen.»
    Karl stand draußen vor dem Restaurant, wo ihn der Wanderer unmöglich hören konnte, und legte am Telefon dar, wie er weiter vorzugehen gedachte. Als er geendet hatte, blieb es am anderen Ende der Leitung zunächst still. Sein Gesprächspartner ließ sich seinen Vorschlag durch den Kopf gehen.
    Der Wind hatte merklich aufgefrischt, er fegte von Norden her durch die Schneise im Gebirge, in der die Straße verlief. Auch die Sonne war weiter nach Norden gewandert und warf ihr blutrotes Licht auf das Band aus Schotter.
    «Falls Ihr Plan misslingt», sagte der Mann am Telefon schließlich, «läuft Ihr Vorschlag auf ein schreckliches Opfer hinaus.» Über die Satellitenverbindung klang seine Stimme wie ausgehöhlt.
    «Falls er gelingt, war es das Risiko wert», sagte Karl. «Davon abgesehen ist das jetzt die einzige Möglichkeit, an den Gegenstand zu gelangen, den Sie haben wollen.»
    Wieder Schweigen am anderen Ende, das Karl wohlweislich nicht unterbrach. Während er wartete, drehte er sich um und spähte nach Süden. In einem Punkt hatte der Wanderer richtig vermutet: Tangent würde die Luftwaffe mobilisieren, und die würde vermutlich schleunigst einige Sondereinsatzkommandos an Bord einer C-17   Globemaster von Elmendorf aus herschicken. Elmendorf befand sich bei Anchorage, vielleicht vierhundert Meilen weiter südlich. Wenn die Transportmaschine innerhalb von zehn Minuten nach dem Anruf gestartet war – und davon war auszugehen   –, würde sie in spätestens einerStunde hier sein. Aber da der Wanderer Tangent auch von dem Hubschrauber erzählt hatte, wusste Karl, dass von Elmendorf aus noch etwas anderes auf dem Weg hierher war, etwas wesentlich Schnelleres als eine Transportmaschine. Ungefähr dreimal so schnell.
    Schließlich meldete sich der Mann am anderen Ende der Leitung wieder. «In Ordnung. Tun Sie’s. Wann soll der Hubschrauber kommen?»
    Karl überlegte kurz. Selbst unter Berücksichtigung aller Unwägbarkeiten schien der zeitliche Ablauf so gut wie gesichert.
    «Sie können gleich anrufen», sagte Karl. «Sagen Sie ihnen, sie sollen sofort losfliegen.»

13
    Während er mit Paige allein im Zimmer war, deren mühsame Atemzüge vom Bett herüberdrangen, grübelte Travis erneut über den Angriff nach, bei dem er bewusstlos geschlagen worden war. Diesmal erinnerte er sich deutlich und in allen Einzelheiten: Die Waffe in seiner Hand war auf einmal nach unten gezogen worden – aber nicht nur nach unten, sondern auch nach vorn. Sogar eine Drehung hatte er wahrgenommen.
    Als wäre sie von einer menschlichen Hand gepackt worden.
    Gleich darauf erfolgte dann der Schlag seitlich gegen seinen Kopf, von irgendwem, der ungesehen hinter ihm gestanden haben musste.
    Aber wie konnte das sein? Travis hatte dieses kleineZimmer nicht verlassen, seit der Mann mit der Baseballmütze ihn hergebracht hatte. Außer ihnen war niemand im Zimmer gewesen. Es gab keinen Schrank, in dem sich jemand hätte verstecken können, und das Fenster war auch geschlossen. Wie war es möglich, dass er von hinten angegriffen wurde? Hatte sich der Angreifer unter dem Bett versteckt?
    Nein. Etwas stimmte nicht an dieser Erklärung, das wusste Travis. Etwas ganz Grundsätzliches. Was genau, wollte ihm zunächst nicht einfallen.
    Dann begriff er.
    Es war das Sonnenlicht, das von Nordwesten her nahezu waagerecht durchs Fenster fiel. Während er mit der Waffe im Anschlag die Tür im Auge behalten hatte, hatte sich sein eigener Schatten scharf umrissen an der Wand neben der Tür abgezeichnet. Hätte jemand hinter ihm gestanden, wäre sein Schatten ebenfalls dort zu sehen gewesen. So etwas hätte er unmöglich übersehen können.
    Was zum Teufel also hatte sich hier abgespielt?
    Vor seinem inneren Auge sah er wieder Paige vor sich, auf der Lichtung, mit dem Flüstern in der Hand. Es sei nicht von Menschen konstruiert worden, hatte sie erklärt. Als wäre es das Normalste auf der Welt. Das Normalste in
ihrer
Welt offenbar.
    Was war noch alles normal in Paiges Welt? Über welche Fähigkeiten verfügten ihre Feinde? Womit, verdammt nochmal, hatten sie es hier aufzunehmen?
    Ein Geräusch riss ihn aus

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