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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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was wir wissen wollen.«
    Walter wandte sich ab und musterte den Himmel. Eine Schar Vögel zog darüber. Sie flogen in einer sich ändernden Formation, die nur eines nie aus den Augen verlor: die Zugrichtung. Sie zogen nach Süden. Ihr Gezwitscher klang entfernt und wie ein Abschiedsgesang. Als er sich abwandte, begegnete er dem Blick Rogers’, der die Vögel ebenfalls beobachtet hatte. Danach sahen sie beide zu Godefroy, der sich nicht vom Fleck bewegt hatte.
    »Der Winter steht vor der Tür«, sagte Walter leise. »Wir können nicht durch den Winter ziehen auf der Suche nach deiner Familie, wie drei verlorene Seelen. Wir müssen eine Bleibe finden.«
    Rogers erwiderte nichts darauf. Er selbst hatte bereits mehrfach überlegt, wie sie über den Winter kommen sollten, aber er hatte den Gedanken, sich irgendwo einzunisten und auf die Rückkehr des Frühlings zu warten, stets beiseitegeschoben. Wann immer er an ihn dachte, sah er das grinsende Gesicht al-Mala’ikas vor sich und erinnerte sich an seine Ahnung auf jener Straße in Terra Sancta, dass er noch nicht das Letzte von diesem Mann gesehen hatte. Wenn die Beute lange genug stillhielt, fand der Jäger sie. Und dennoch hatte Walter absolut recht – sie konnten nicht durch Schnee und Eis ziehen. Nicht einmal der geldgierigste Pfeffersack ging im Winter auf Reisen.
    Als Rogers am nächsten Morgen im Schankraum der Herberge erwachte, wo man ihnen ein billiges Schlaflager zugestanden hatte, wurde ihm zweierlei klar: Das grässliche Geräusch, das ihn die Nacht über im Halbdämmer gehalten hatte, war das Schnarchen des alten Hundes gewesen, der vor der Feuerstelle lag und roch wie ein nasser Gobelin; und was zu tun war, um sich zwanglos Schwester Elsbeth nähern zu können und gleichzeitig ein Quartier für den Winter zu bekommen. Gesegnet waren der Wirt der Herberge und seine Arglosigkeit, mit der er sich von Godefroy und Rogers hatte ausfragen lassen, während Walter seine mangelnden Fremdsprachenkenntnisse dadurch demonstriert hatte, dass er schweigend doppelt so viel Bier getrunken hatte wie seine beiden Freunde.
    Rogers wälzte sich von der Bank, die ihm als Nachtlager gedient hatte. Steifbeinig stapfte er zur Feuerstelle und begann, die Asche aufzuschüren. Bald glommen die ersten Funken auf. Der Hund erwachte und gab einen fragenden Laut von sich, und Rogers tätschelte ihn geistesabwesend. Als er das Feuer wieder in Gang gebracht hatte, setzte er sich, starrte in die Flammen und zupfte an seiner Tunika herum. Das Johannitergewand zeigte mittlerweile erste Verschleißerscheinungen, und Rogers ertappte sich bei dem Wunsch, es gegen den roten Waffenrock mit den silbernen Streifen und dem Hermelinmuster darauf austauschen zu können. Er spürte förmlich, wie der Stoffrest mit den Trencavel-Farben, den er sich auf das Leibhemd genäht hatte, ans Licht wollte. Verfluchte Heimlichtuerei – wer sollte hier schon die Wappenfarben seiner Familie kennen? Dann dachte er erneut an al-Mala’ika und war wieder dankbar um die dunkle Johanniterkutte. Wenig später betrat eine der Schankdirnen den Raum, lächelte ihm flüchtig zu, sah, dass ihre Arbeit bereits getan war, lächelte etwas einladender und verschwand dann wieder.
    Hinter sich vernahm Rogers, wie Walter gähnte und sich streckte. »Die haben ein gutes Bier hier«, sagte der Engländer. »So gut, dass du es am nächsten Morgen immer noch im Kopf hast.«
    »Du hast gesoffen wie ein Loch«, hörte Rogers Godefroy sagen.
    »Ein Engländer säuft niemals«, erklärte Walter.
    »Ich weiß jetzt, was wir tun werden«, sagte Rogers.
    Die beiden sahen ihn aufmerksam an. Walter wirkte ein wenig blass. »Wenn es kompliziert ist, lass dir Zeit, bis ich wach genug bin, um es zu kapieren.«
    »Wir werden auf der Baustelle anheuern.«
    Walter und Godefroy machten große Augen. Ein paar Herzschläge herrschte Schweigen im Schankraum.
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst warten«, stieß Walter hervor. »Jetzt habe ich verstanden, dass wir auf der Baustelle anheuern sollen.«
    Rogers sagte nichts darauf.
    Walter schüttelte den Kopf und ließ sich wieder auf die Bank sinken. »Du bringst es noch so weit, dass ich mich nach Terra Sancta zurücksehne.«
    »Warum? Es ist doch nur logisch. Ihr habt gehört, was der Wirt gestern Abend erzählt hat. Es gibt noch eine zweite Zisterzienserbaustelle eine Tagesreise von hier entfernt, bei der die Arbeiten nicht weitergehen, weil es nicht genügend Arbeiter gibt und es wegen der

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