Die Pforten der Ewigkeit
so viele Fehler, dass sie sich am Ende wieder ausgleichen.« Godefroy schüttelte den Kopf. »Wo haben die Schwestern den wohl aufgelesen?«
»Es wäre interessant, mal seine Bauzeichnungen anzusehen.«
»Hab ich schon«, brummte Godefroy. »Als er mal nicht aufgepasst hat. Sie sind fantastisch. So was habe ich noch nie gesehen. Selbst ein kleines Kind könnte nach ihnen eine Kathedrale bauen.«
Rogers, Walter und Godefroy waren, wie nicht anders zu erwarten, als Steinbrecher eingeteilt worden. Rogers hatte gehofft, bei ihrer Vorstellung mit Schwester Elsbeth ins Gespräch kommen zu können, aber die Nonne war nur schweigend dabeigestanden, während Wilbrand sie verpflichtet hatte. Er hatte versucht, ihr zuzulächeln, und war überrascht gewesen, um wie viel schöner ihr hübsches Gesicht unter dem Schleier geworden war, als sie zurückgelächelt hatte. Selbstverständlich hätte er sich lieber die Zunge abgebissen, als seinen Freunden zu gestehen, dass es noch einen dritten Grund gab, der zu dem Plan geführt hatte, auf der Baustelle anzuheuern – nämlich den, Schwester Elsbeth auf irgendeine Weise zu helfen. Sie hatte ihn beeindruckt, als er ihr Gespräch mit dem jüdischen Kaufmann im Wald belauscht hatte, und seine Bewunderung war noch gestiegen, als ihm aufgegangen war, welche Aufgabe sie sich hier zugemutet hatte. Gesichter unter dem Nonnenschleier wirkten lange Zeit alterslos, dennoch glaubte er zu wissen, dass sie höchstens ebenso alt wie er sein konnte, vielleicht sogar um einige Jahre jünger. Wenn sie sein Alter erreicht hatte, würde der Großteil des Klosters bereits fertig sein. Was hatte er dagegen an Lebensleistung vorzuweisen? Kampf, Flucht, enttäuschte Träume, enttäuschte Glaubensgenossen und ein Hirngespinst von Geheimnis, das ein Sterbender einem Mann verraten hatte, der es ebenfalls im Sterben liegend Rogers weitergesagt hatte. Er ertappte sich dabei, wie er Elsbeths Lächeln ein wenig zu lange erwiderte, und wandte den Blick ab, nur um in Walters Gesicht eine spöttisch hochgezogene Augenbraue ansehen zu müssen.
Bevor sie darangehen konnten, von Godefroy den Umgang mit Steinen zu lernen, musste der Steinbruch erst von Baum und Buschwerk befreit werden. Zusammen mit zwei, drei von den Arbeitern, die bereits geholfen hatten, die zukünftige Fläche des Klosters zu roden, hangelten sich Rogers, Walter und Godefroy über die Kante des Steilhangs und versuchten sich ein Bild der Lage zu machen. Da die anderen äußerst nachlässig vorgingen und selbst der stoische Walter nervös wurde, wenn er durch einen Mann gesichert wurde, der ab und zu eine Hand vom Seil nahm, um sich in der Nase zu bohren, waren sie bald nur noch zu dritt. Wilbrand, mit der Konstruktion des hölzernen Klausurbaus für die Nonnen beschäftigt, bemerkte es nicht einmal. Godefroy, dessen Führung sich Rogers und Walter überlassen hatten, war verärgert darüber, dass sie so gut wie keine Fortschritte machten.
Ausgerechnet Walter brachte am Morgen des fünften Tags einen zahnlosen, buckligen Alten in den Schankraum der Herberge, die ihr Zuhause geworden war. Der Alte kroch mithilfe einer Krücke voran und war so verbogen, dass sein Kopf auf der gleichen Höhe war wie das Achselstück der Krücke.
»Kann mir mal jemand sagen, was der Bursche von mir will?«, fragte er. »Er hat draußen gewartet und ist mir bis zur Latrine und hierher zurück gefolgt. Heiliger Georg, warum spricht nirgendwo jemand die Sprache anständiger Menschen!«
Der Alte grinste und zeigte mit dem Daumen auf Walter. »Der is ’n Engländer, nich’ wahr?«
»Ja«, sagte Rogers vorsichtig.
»Und ihr beide seid auch nich’ von hier!«
»Wer will das wissen?«
Der Alte gackerte vor Vergnügen. »Keine Sau will das wissen, Junge, keine Sau.«
»Na gut«, sagte Rogers und versuchte die Gesten zu ignorieren, die Walter hinter dem Rücken des Alten machte und die im Wesentlichen daraus bestanden, dass Walter sich an der Stirn kurbelte.
»Ich bin rumgekommen, Junge«, sagte der Alte. »Überall – in Frankreich, in England, in Italien. Ich erkenn einen Fremden, wenn ich ihn seh.«
»Besonders, wo es in der Fremde so viele von ihnen gibt«, brummte Godefroy.
Rogers hatte aufgehorcht. »So weit herum kommt man nur als Soldat oder als …«
»Gib dir keine Mühe nich’, Junge. Ich war Zimmerer.«
»Meister?«
»Nee, das Leben als Meister war mir immer zu blöd. Du musst ’ne Frau finden, du musst ’nem Meister in’ Arsch kriechen, du
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