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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Besuch zu erfreuen.
    7.
WIZINSTEN
     

     
    Was immer es war – Godefroys Unwiderstehlichkeit, seine tatsächlichen Kenntnisse im Steinbrechen oder der Arbeitskräftemangel –, am nächsten Tag gehörten Rogers, Walter und der kleine Johanniter offiziell zu den Hilfskräften Meister Wilbrands mit einem Tageslohn von drei Pfennig.
    »Dass du der Aufseher bist und wir deine Idioten, das hätte allerdings auch nicht sein müssen«, erklärte Walter.
    »Können setzt sich eben durch«, erwiderte Godefroy. »Und wenn ich noch mal so eine Respektlosigkeit höre, gibt es zur Vesper nur Wasser und Brot.«
    Tatsächlich war Godefroy so umsichtig, wie man es sich nur wünschen konnte. Rogers ahnte, dass bei allem Talent, das Godefroy für den Kampf bewies, dem Handwerk mit seiner Entscheidung, dem Johanniterorden zu dienen, ein talentierter Meister verloren gegangen war. Schon nach zwei Tagen hatte Godefroy einen so guten Überblick über die Baustelle, dass er sich darüber Gedanken machte, woran sie krankte; während Rogers und Walter sich nur Gedanken machten, ob ihre Muskeln wohl jemals wieder aufhören würden zu schmerzen.
    »Das Problem liegt nicht nur daran, dass zu wenig ausgebildete Handwerker zugegen sind«, sagte Godefroy. »Hier fehlen auch die Freiwilligen, die normalerweise die Hilfskräfte verstärken.« Walter und Rogers erfuhren, dass es besonders auf Baustellen geistlicher Natur, ob Kirchen oder Klöster, eine gewisse Anzahl von Arbeitern gab, die unentgeltlich ihre Kraft zur Verfügung stellten, um für begangene Sünden zu büßen oder sich für erwiesene göttliche Gnade dankbar zu zeigen. Lehensherren arbeiteten oft Seite an Seite mit Kaufleuten, Ratsmitglieder schleppten zusammen mit Kanonikern Lasten. Dass die bezahlten Lohnarbeiter darüber nicht glücklich waren, lag auf der Hand; die Freiwilligen nahmen ihnen das Brot weg. So war es keine geringere Buße, auf einem klerikalen Bau zu arbeiten, als auf Pilgerreise zu gehen – die Lebensgefahr war in beiden Fällen hoch.
    »Ich weiß von ein paar Fällen, wo Freiwillige so über alle Gebühr fleißig waren, dass ihnen die regulären Arbeiter nachts – zack! – hinterrücks mit dem Hammer eins überbrieten und die Leiche dann in den nächsten Fluss warfen. Der Herr von Montalba soll so ums Leben gekommen sein, als er sich bei einem Kirchenbau verdingte, um den Tod eines Turniergegners zu sühnen. Allerdings heißt es in der Geschichte auch, dass Fische seinen Leichnam an die Wasseroberfläche hoben und Kerzen entzündeten, damit das Verbrechen entdeckt werden konnte, also dürfen wir der Erzählung eine gewisse Neigung zu übertreiben zubilligen.« Godefroy blickte nachdenklich.
    »Haben schon mal Arbeiter einen vorlauten Aufseher verschwinden lassen?«, fragte Rogers.
    »Noch nie«, sagte Godefroy. »Das wäre widernatürlich.«
    »Gott bewahre«, sagte Walter.
    »König Louis hat vor ein paar Jahren sogar dafür gesorgt, dass die Zunftmeister in Paris eine Versammlung einberiefen und Statuten über die guten Sitten und Gebräuche des Handwerks festlegten«, erzählte Godefroy. »Darin wurde niedergeschrieben, welche Strafe zum Beispiel ein Gipser zahlen muss, der seinen Gips falsch bemisst, sowie der Maurer, der sich den schlechten Gips hat andrehen lassen.«
    »Und wohin man einen freiwilligen Hilfsarbeiter in der Nacht – zack! – hinterrücks mit dem Hammer hauen muss«, mutmaßte Walter.
    Godefroy blühte förmlich auf in seiner Tätigkeit. Wie es schien, betrachtete Meister Wilbrand ihn mit einigem Argwohn, und selbst Rogers erkannte nach einer Weile, dass Godefroy tatsächlich der bessere Baumeister gewesen wäre. Was den architektonischen Aspekt anging – die Vorbereitung des Bodens, das Ausmessen der Grundrisse, das Einschlagen der Marchstecken und das Planieren der Flächen –, war Wilbrand souverän, aber die Organisation der Baustelle spiegelte die Eigenorganisation ihres obersten Meisters wider: Sie war stark verbesserungsfähig. Allen Arbeitern war es inzwischen zur Gewohnheit geworden, Wilbrand sein Wachstäfelchen hinterherzutragen, in das er ständig kritzelte und das er überall liegenließ. Allerdings musste ein Mann vom Schlag Godefroys kommen, um die Berechnungen, die Wilbrand darin angestellt hatte, zu überprüfen.
    »Heiliger Johannes von Jerusalem«, rief Godefroy, »der Mann kann keine einzige Kolonne richtig zusammenrechnen.«
    »Dann wird sein Kloster bald wieder in sich zusammenfallen.«
    »Nein. Er macht

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