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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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musst dich verschulden, um selbstständig zu werden, dann musst du in die Zunft einzahlen, bis du blau bist, du musst regelmäßig in die Kirche gehen und den Armen spenden … nee, nee, ich bin Geselle geblieben, mein Leben lang. Jetzt bin ich natürlich der Trottel, und keiner hört auf mich, und ich leb von dem, was mir die Leute zustecken, aber solange ich Kraft hatte, hatte ich ’n schönes Leben, das kannst du mir glauben, Junge. Und deshalb will ich auch gar nich’ wissen, was ihr für welche seid, verstehst du, das will ich gar nich’ wissen.«
    »Was willst du dann von uns? Wir arbeiten im Steinbruch. Solltest du nicht zu Wilbrand gehen, wenn du Zimmerer warst, und ihm deine Hilfe beim Bau des Klausurgebäudes anbieten?«
    Der Alte kicherte noch vergnügter. »Seh ich aus, als wär’ ich bescheuert, Junge? Soll ich in meinem Alter noch arbeiten ?«
    Godefroy dachte geschwinder als Rogers, der den Alten ratlos musterte. »Als du jung warst, war da der Steinbruch noch in Betrieb?«
    »Hähähä … du hast es erraten, Kleiner, du hast es erraten.«
    »War nicht so schwer. Der Bewuchs im Steinbruch dürfte gut fünfzig Jahre alt sein. Und du bist etliche Jährchen darüber hinaus.«
    »Genau, mein Junge, genau.« Der Alte warf sich in die Brust, was bei ihm bedeutete, dass sein Körper sich leicht nach links verzog. »Ich bin Marquard, und wenn meine Mutter damals nich’ alles durcheinandergebracht hat, bin ich so um die fümfnsechzig. Ich glaub gern, dass ich von all den alten Knackern hier in Wizinsten der Älteste bin, das glaub ich gern.«
    »Ohne Zweifel«, murmelte Rogers.
    Godefroy sagte langsam: »Wir können den Steinbruch nicht vernünftig roden, ohne zu wissen, wo die Abbaukanten liegen und ob es Quellen gibt, Bruchlinien, Verwerfungen …«
    »Kannst du alles von mir kriegen, Junge, kannst du alles kriegen. Als Kind bin ich im Steinbruch rumgeklettert, und als ich kein Kind mehr war, bin ich dort mit den Mädels gewesen.« Marquard grinste in seliger Erinnerung. »Mergard Holzschuher – das is’ die Mutter von Wolfram Holzschuher, dem Stadtrat – hat mir die Unschuld genommen in der alten Steinbrecherhütte … is’ schon ’ne Weile her …«
    »Ohne Zweifel!«, wiederholte Rogers mit Nachdruck.
    »Was willst du dafür?«, fragte Godefroy.
    »Hä?«, machte Marquard.
    »Du hilfst uns doch nicht, nur weil du ein guter Mensch bist.«
    Marquard kniff ein Auge zusammen. »’ne gute Tat trägt den Lohn in sich, nich’ wahr? Wenn ich euch sagen soll, wo es ungefährlich is’ zu roden und wo ihr anfangen müsst unsoweiter, muss ich beim Steinbruch oben sein. Wisst ihr, Jungs, wann ich das letzte Mal dort oben war und mir die Gegend angesehen hab?«
    »Und die alte Steinbrecherhütte …«, brummte Rogers.
    »Ihr wisst es nich’, und wenn ich ehrlich sein soll, weiß ich’s auch nich’ mehr. Abgemacht – ihr tragt mich dort oben rauf, solange die Arbeiten dauern, und ich sorg dafür, dass ihr danach noch alle Finger und Zehen habt und ’n Kopf auf ’n Schultern?«
    »Das ist alles?«, fragte Godefroy.
    »Junge, wenn du wie ich ’n ganzes Leben durch die Welt gezogen bist und jetzt nich’ mal mehr das Kaff verlassen kannst, in dem du lebst, weil deine Haxen dich nich’ mehr tragen, dann is’ das ’ne ganze Menge, glaub mir.«
    Marquards Kenntnisse waren tatsächlich tiefgehend, und er erlegte sich keinerlei Zurückhaltung auf, sie mit ihnen zu teilen.
    »Wenn er nicht bald mal die Klappe hält, werf ich ihn in den See«, stöhnte Godefroy – allerdings so leise, dass der Alte ihn nicht hören konnte.
    Der Steinbruch war wie jeder andere in Stufen entstanden. Jede Generation von Abbrucharbeiten hatte sich in einem knapp mannshohen Streifen horizontal durch die Flanke des Hügels gearbeitet, von unten nach oben, sich in den Stein hineinarbeitend, so dass eine Art Amphitheater mit senkrechten Wänden entstanden war, das sich in Dutzenden von terrassierten Streifen mit fünf oder sechs Zoll Absatzbreite nach oben verjüngte. Die fünfzig Jahre Vernachlässigung hatten genügt, Pflanzen auf den schmalen Absätzen wachsen zu lassen, so dass der Steinbruch von weitem nur wie ein extrem steiler, von Buschwerk überzogener Hang wirkte. Etwas unterhalb der halben Höhe des Hügels lag der kleine See; das Wasser war wie in einem Kessel gefangen und besaß einen Überlauf, der die Swartza nährte. Es war klar, dass der eigentliche Boden des Steinbruchs viel tiefer lag, nämlich am

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