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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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war im üblichen Meffridus-Stil vor sich gegangen: mit drei bewaffneten Leibwächtern, Ersatzpferden und genügend Lärm, dass die halbe Stadt davon erwacht sein musste. Er hatte ihr nicht verraten, wohin ihn seine Geschäfte führten, sie nahm lediglich an, dass es Geschäfte waren. Aber was betrachtete Meffridus nicht als Geschäft? Ein Bürger der Stadt hatte Meffridus begleitet: Hochwürden Fridebracht, der Pfarrer von Sankt Mauritius. Sie schauderte bei dem Gedanken, dass Meffridus den alten Pfarrer vielleicht nach Nuorenberc in das Bordell brachte, in das er die Tochter der Zimmermanns verschachert hatte. Für Meffridus wäre es nur ein weiteres Geschäft und ein weiterer Mensch, den er in der Hand hatte – wenn der alte Pfarrer dem Notar nicht ohnehin längst schon ausgeliefert war, weil er sich bei ihm verschuldet hatte oder weil Meffridus etwas über ihn wusste, was sonst niemand erfahren sollte.
    Der Einfall überkam sie so unvermittelt, dass sie sich mit einem Ruck aufsetzte. Weil Meffridus etwas wusste, was sonst niemand erfahren sollte …
    Warum schlich Meffridus, der sich ansonsten benahm, als gehöre ihm die Welt, nachts aus der Stadt, ließ sogar den Torwächter ersetzen und näherte sich dem alten Wachturm von außen, so dass auch die Zisterzienserinnen nicht entdecken konnten, was er da trieb? Gab es etwas, von dem er nicht wollte, dass es jemand wusste? Und wenn jemand es wusste – konnte man ihm damit schaden?
    Constantia starrte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit der Schlafkammer. Dann sprang sie aus dem Bett und tastete sich zum Fenster, nahm den Laden heraus und spähte nach draußen. Die Dächer Wizinstens schimmerten silbern im Licht eines Dreiviertelmondes, die Gassen waren schwarze Schluchten. Es war hell genug, um sich ohne Laterne zurechtzufinden.
    Sie schlüpfte in die Schuhe und warf sich nur den Mantel über das Unterkleid. Sie war schon halb aus der Tür, als sie innehielt.
    Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?
    Sie schluckte, dann nickte sie.
    Außen herum wie Meffridus vor ein paar Nächten konnte sie nicht gehen; der Torwächter würde sie nicht hinauslassen. Sie musste sich an der Ruine vorbeischleichen, in der die Nonnen hausten. Erregt eilte sie die Mühlgasse entlang und war zugleich erleichtert, dass keinerlei Licht in der Behausung der Zisterzienserinnen brannte, und beklommen, weil sie nun keine Ausrede mehr hatte, ihr Vorhaben abzubrechen. Sie versuchte zu erkennen, wo sich der Torwächter aufhielt; vom Virteburher Tor aus konnte man den Platz vor dem ehemaligen Klostertor einsehen; aber entweder hielt sich der Wächter irgendwo im Schatten auf oder er schlief in einem der Tortürme. Nun … ihr Mantel war dunkel, und wenn sie ihn im Schatten nicht sehen konnte, würde er sie auch nicht sehen. Mit den Schuhen in der Hand und dem Herz im Hals drang sie hinter die Klostermauer vor, zog die Schuhe wieder an, als sie kaltes, feuchtes Gras unter den Fußsohlen spürte, und tappte durch die silberschwarze Welt des mondbeschienenen Klostergartens zum alten Wachturm.
    Dem Bau selbst sah man an, dass er seinerzeit eher hastig errichtet worden und dass sein Zweck ein rein militärischer gewesen war. Er war rund, die Fensteröffnungen waren nicht mehr als nach allen Seiten hinausgehende Schlitze direkt unter den Resten der ehemaligen Hurde an seiner Spitze, und der eigentliche Eingang lag zwei Mannshöhen über dem Boden und war nur über eine Leiter erreichbar gewesen. Die Zeit und ihre Geschehnisse hatten nicht nur die Hurde in etwas verwandelt, das wie ein baufälliges Storchennest auf dem Turm hockte und so aussah, als könne eine leichte Brise es herunterwerfen, sondern auch ein Loch auf Bodenniveau in die Wand gebrochen. Jetzt sah sie, dass sie zu kurz gedacht hatte – das Mondlicht hatte es ihr zwar ermöglicht, sich draußen zurechtzufinden, aber im Inneren des Turms war es pechschwarze Nacht. Sie schloss die Augen und blieb neben dem Eingang stehen, bis ihr Herzschlag sich beruhigt und ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Danach konnte sie zumindest die Schatten in den Schatten erkennen.
    Das Erdgeschoss des Turms war entweder niemals genutzt worden oder höchstens zur Lagerung von Ausrüstungsgegenständen und Reparaturmaterial für den Turm. Der Boden war blanke Erde. Innen musste der Turm durch zwei oder drei Stockwerke abgeteilt gewesen sein, deren Böden nicht mehr gewesen waren als auf steinernen Vorsprüngen ruhende Balken, die

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