Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Anstrengung beseite. Dann stand sie da und starrte auf das, was sie freigelegt hatte.
    Eigentlich war die Falltür nur daran zu erkennen, dass der eiserne Ring matt im schwachen Abglanz des Mondlichts schimmerte. Sie war in einen hölzernen Rahmen eingelassen, der wiederum direkt im Erdboden steckte. Vor Constantias Augen entstand das Bild eines Schachtes, dessen Wände mit Holzbalken und -brettern abgestützt waren. Ein alter Brunnen? Aber was immer es war … Meffridus musste dort hinuntergeklettert sein, und deshalb hatte sie das Licht der Laterne nicht mehr gesehen.
    Sie dachte fast eine Minute darüber nach, was sie tun sollte, das Herz erneut bis in ihren Hals klopfend. Sie streckte die Hand aus und zog sie wieder zurück.
    Sie sah sich selbst, in ihrer Schlafkammer stehend, während Meffridus gelassen darüber nachdachte, ob er ihren Vorschlag annehmen und ihren Mann zur Fronarbeit verdammen sollte, oder ob es für ihn günstiger war, aus ihrem Leben eine täglich sich dutzendfach wiederholende Vergewaltigung zu machen.
    Sie sah, wie Petrissa Zimmermann in sich zusammensank am Rand der Hochzeitsfeier, erkennend, dass Meffridus es nicht zuließ, dass ihr Töchterchen aus einem Schicksal erlöst wurde, das tausendmal schlimmer war, als von Bären gefressen zu werden … vor allem aber erkennend, dass sie und ihr Mann einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten und am Ende sie selbst daran schuld waren, was die Kleine seitdem durchmachen musste – ungetröstet, unerlöst, verständnislos ihre Tage in der Hölle der Perversion durchleidend. Erkennend, dass ihr eigenes Kind die Rechnung für die Gier von Vater und Mutter bezahlte.
    So, wie Rudeger die Rechnung für seine Verblendung zahlte.
    So, wie Meister Gerlach, seine Frau und sein Geselle die Rechnung dafür bezahlt hatten, was Constantia an jenem Tag widerfahren war, als sie allein in das Haus ihrer Nachbarn gegangen war.
    So, wie Constantia Nacht für Nacht und Tag für Tag die Rechnung dafür bezahlte, den Spieß umgedreht und sich vor dem Schicksal gerettet zu haben, über das Meffridus und Rudeger handelseinig geworden waren. Nacht für Nacht, indem sie Meffridus auf sich und in sich duldete; Tag für Tag, in dem sie ihr Gesicht in spiegelnden Wasserflächen betrachtete und sich bewusst war, dass es zu einer Seele gehörte, die zu den gleichen Dingen fähig war wie Meffridus Chastelose.
    Sie packte den Ring, stemmte die Beine gegen den Boden und zog daran.
    Die Falltür schwang auf gut gefetteten Scharnieren lautlos auf. Beinahe wäre sie ihr aus der Hand gerutscht. Erdiger, schwerer Duft drang aus der absoluten Schwärze des Schachts heraus – und der Geruch von frisch gesägtem Holz.
    Constantia legte sich auf den Boden und tastete in die Leere hinein. Sie fand eine Leiter. Vorsichtig drehte sie sich um und stellte einen Fuß darauf. Vermutlich hätte sie es nicht über sich gebracht, in die Schwärze hinunterzuklettern, wenn sie nicht schon vor Monaten in die ganz persönliche Dunkelheit ihrer Seele hinuntergeklettert wäre.
    Der Schacht war vielleicht vier Mannlängen tief; sehr tief, wenn man blind hinuntersteigen musste. Constantia fühlte das Blut in ihren Ohren pochen und hatte das Gefühl, dass die Dunkelheit sich um sie legte und ihren Leib zusammenpresste. Als sie auf dem Boden des Schachts angekommen war und hinaufblickte, sah sie, dass der Ausgang nur mehr ein helles Rechteck in vollkommener Schwärze war, und musste an sich halten, um nicht sofort wieder hinaufzuklettern. Dann stieg sie doch noch einmal zurück ins Mondlicht, weil ihr Fuß an etwas gestoßen war, das sich nach einigem Herumtappen als Laterne entpuppt hatte, an deren Griff ein Lederbeutel mit Feuerzeug hing. Im Licht, das von der Öffnung in der Mauer des Turms hereinfiel, entzündete sie die Flechten und damit die Laterne. Zu spät fiel ihr ein, dass Meffridus sich vielleicht gemerkt hatte, dass er das Baummoos und den Zunderschwamm dort hatte liegen lassen. Nun, es war nicht mehr zu ändern. Sie kletterte wieder hinunter, selbst erstaunt, wie viel Zuversicht einem das kleine Licht einer Laterne geben konnte.
    Der Schacht führte in einen Gang, der direkt ins Erdreich gegraben war. Balken und Verschalungen stützten ihn. Sie waren grau vor Alter. Constantia folgte dem Gang und dem Geruch von frisch gesägtem Holz. Sie kam nicht weit. Die schwere Bohlentür, die das weitere Vordringen verhinderte, war neu. Hobel- und Sägespäne bedeckten den Boden. Die Tür musste

Weitere Kostenlose Bücher