Die Pforten der Ewigkeit
und wegen der Kälte des Seewassers mit den Zähnen klappernd, streckte Rogers die Hand aus und packte Godefroys Seil, um ihn an der Oberfläche zu halten. Godefroy grinste. »Wie ich es mir gedacht habe«, keuchte er, nachdem er zu Atem gekommen war. »Dort, wo das Bodenniveau der Höhle ist, greift ein Sims weit aus dem Fels heraus – bestimmt fünf oder sechs Schritte weit. Das war das ursprüngliche Bodenniveau des Steinbruchs. Dann haben sie nach oben und nach unten gegraben, aber weil sie sich so viel Mühe gegeben hatten, ihre Bauhütte in die Höhle einzupassen, haben sie sie stehen gelassen und das Sims mit, damit sie sie erreichen konnten. Wahrscheinlich haben sie nach oben mit Gerüsten gearbeitet … wenn wir suchen, werden wir in der Felswand die Löcher finden, wo sie sie verankert haben …«
»Godefroy, was hilft uns das …?«, begann Rogers, aber dann wurde es ihm selbst klar. »Über das Sims könnten wir die Steine abtransportieren!«
»Ja – wenn es nicht zwei Mannslängen weit unter Wasser läge.«
»Und nun?«
»Ich weiß nicht. Ich muss mir das genauer ansehen. Geh nach oben zu Walter. Zu zweit könnt ihr mich auch ohne den römischen Kran halten. Fädelt das Seil aus den Rollen und gebt es direkt über die Abbruchkante aus, dann gewinnen wir ein paar Fuß, und ich kann tiefer tauchen.«
»Ist das nicht gefährlich?«
»… sagte der Mann, der einer heiligen Frau versprach, in ein, zwei Tagen das Unmögliche möglich zu machen. Hau schon ab, Rogers, bevor ich dir vorschlage, dass wir tauschen.«
Rogers schlug dem kleinen Mann auf die Schulter, ruckte am Seil und begann mit Walters Hilfe nach oben zu klettern. Von unten hörte er das Platschen Godefroys im Wasser. Er krallte die Finger um die Bruchkanten und stemmte die Zehen gegen Vorsprünge und arbeitete sich nach oben, locker gehalten von dem Tau um seinen Leib. Die Sonne kam von der Seite und wärmte seinen Körper, ließ den Stein nach Wärme und Staub und vergangenem Sommer duften. Er genoss es zu klettern. Es gab so viele Dinge, die besser waren, als zu flüchten und zu kämpfen und sich ständig vor Augen zu halten, dass man eine Enttäuschung war.
Dann ergriff ihn ein seltsames Gefühl, so als ob die Welt plötzlich ihre Stofflichkeit verloren hätte. Im einen Moment war da der harte Fels, an dessen Kanten und Schrunden Rogers emporkletterte – im nächsten Moment war es, als griffe er in Rauch. Der Fels sackte ab, und im Absacken löste er sich auf: eine riesige, steinerne Glasscheibe, in die jemand einen Stein geworfen hat und die in tausend Scherben zu Bruch geht. Das Grollen, das plötzlich ertönte, war wie der Schlag einer gewaltigen Faust. Staub schoss aus den unvermittelt entstehenden Ritzen und Spalten heraus, als explodiere er.
Rogers merkte erst, dass er sich instinktiv vom Felsen abgestoßen hatte, als er am Seil in einem weiten Bogen vom Felsen weg und nach unten fiel. Die Luft blieb ihm weg. Dann wurde sein Fall abrupt gestoppt – Walter hatte ihn abgefangen. Das Grollen war überall um ihn herum, er hörte nichts außer dem Lärm, aber er wusste, dass er geschrien hatte, weil er auf einmal den Mund voller Staub hatte. Wie ein Uhrpendel schwang er zum Felsen zurück, der auf halber Breite des Steinbruchs absackte, einfach nach unten wegrutschte. Voller Panik dachte er, dass die Steine ihn mitreißen würden, wenn er unter sie geriet. Er streckte die Füße nach vorn, um sich erneut abzustoßen, aber genauso gut hätte er sich von Wasser abstoßen können. Das herunterpolternde Gestein schlug seine Füße nach unten, drehte ihn herum, kippte ihn mit vorgestreckten Händen gegen die fallende Wand. Steine trafen ihn auf die Schultern, auf den Kopf. Das Seil schnitt so schmerzhaft ein, dass er dachte, es brenne sich in seinen Körper. Der Staub nahm ihm den Atem, das Dröhnen hüllte ihn ein. Dann schleuderten ihn die Steine und der Luftdruck, den sie verursachten, wieder von der Wand weg, erneut fiel er, bis Walter ihn stabilisieren konnte, der Ruck löste den Knoten, mit dem er das Seil fixiert hatte, er fühlte sich herumgewirbelt, als sein Körper sich in Rucken aus der komplizierten Schlinge befreite, die Godefroy geknüpft hatte …
Undeutlich dachte er, dass es sein Ende wäre, wenn er zusammen mit der absackenden Felswand in den See stürzte.
Er griff mit beiden Händen nach dem Seil. Es schoss durch seine zupackenden Finger und riss ihm die Haut vom Fleisch. Er schrie auf, aber er hielt fest.
Weitere Kostenlose Bücher