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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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zusammen.
    »Walter! Lass dir was einfallen, zum Henker!«
    Er blinzelte wieder zu den beiden Gesichtern hinauf, Schweiß lief ihm in die Augen. Walter war nur noch allein dort oben. Die Schwester war vermutlich gelaufen, um Hilfe zu holen … ein netter Einfall, Schwester Elsbeth mit dem hübschen Gesicht und dem Lächeln, um das dich die Sonne beneidet, aber völlig vergebens …
    »Einen Abschiedskuss hätte ich Euch gern noch gegeben«, hörte er sich flüstern.
    »Was macht Ihr da, Schwester! Nein … geht da runter. Seid Ihr wahnsinnig? Der Kran wird jeden Moment fallen.« Verwirrt spähte Rogers durch den brennenden Schweißfilm nach oben. Walter hatte ihm den Rücken zugekehrt und gestikulierte. Er hörte ihn fluchen und sah ihn zum Ausleger stürzen, sah ihn sich darunterstemmen wie Atlas, der die Welt auf den Schultern trug.
    »Walter?«, ächzte er.
    Eine graue Gestalt kroch auf dem Ausleger nach draußen, über die Abbruchkante hinaus. Es war Schwester Elsbeth. Sie umklammerte den roh zubehauenen Balken mit Armen und Beinen und schob sich entschlossen nach draußen. Der Ausleger zitterte. Der Habit war ihr bis über die Knie nach oben gerutscht, und Rogers fühlte trotz seiner Lage Amüsement, als er sah, wie Walter den Blick abwandte. Er selbst starrte ungeniert auf die weißen Unterschenkel, die schlanken Fesseln, die in klobigen Schuhen endeten. Er fand, dass der Anblick fast den Abschiedskuss ersetzte.
    Der Ausleger knarrte und neigte sich mit einem Ruck. Rogers an seinem Seil fiel eine halbe Mannslänge, versuchte sich festzuhalten, rutschte ab, legte das letzte bisschen Kraft in seinen Griff. Das Seil hörte auf, durch seine aufgerissenen Hände zu schrappen. Der Rest davon sah nur noch ein paar Daumenbreit unten heraus. Wenn er noch einmal abrutschte, war es um ihn geschehen. Frisches Blut lief ihm über die Arme.
    Das Gebende um Schwester Elsbeths Kopf hatte sich gelöst und flatterte in der Brise davon; der Nonnenschleier drehte und wand sich und flog davon wie ein seltsamer Vogel. Ihr Haar war kurz geschnitten und zerzaust. Sie schob sich so weit nach außen, dass er dachte, sie würde kopfüber abstürzen, doch sie packte nur mit beiden Händen das Seil und zog und ruckte daran.
    Nach einem Trägheitsaugenblick begann es zu pendeln.
    Rogers fühlte mehr Enttäuschung für sie als für sich. Selbst wenn sie es schaffte, ihn zur Wand zu pendeln, er würde sich nicht halten können.
    »Lass den Ausleger los, Walter!«, hörte er sie rufen.
    Walter stemmte sich wie verrückt unter den Balken und versuchte nicht zu sehen, dass ihre Tunika jetzt fast bis zu den Hüften hochgerutscht war.
    »Rogers! Sag ihm, er soll den Ausleger loslassen. Heiliger Theodor, warum hat Gott die Welt mit tausend Zungen geschlagen?«
    Das Pendeln verursachte Rogers zusätzliche Schmerzen. Jetzt waren es nur noch ein paar Augenblicke, bis er loslassen würde. Er legte seine verbleibende Kraft in ein letztes Aufbrüllen, als ihm plötzlich klar wurde, was Elsbeth vorhatte.
    »Walter! Ich kann mich an der Wand nicht halten! Du musst versuchen, das Halteseil …«
    Aber Walter hatte ebenfalls verstanden. Er kroch unter dem Ausleger hervor und kam sofort wieder mit einem Reststück Seil zurück. Er legte sich bäuchlings auf den Boden, schob sich so weit wie möglich darüber hinaus und schwang das Seil wie eine Peitsche, als das Tau, an dem Rogers hing, durch seine Pendelbewegung an ihn herangeführt wurde. Das Seil schlang sich um das Tau, Walter sprang auf, noch während er das andere Ende zu fassen bekam, und zog. Rogers prallte gegen die Felswand. Dann konzentrierte er sich darauf, jetzt … nicht … noch … im … letzten … Augenblick … die … Kraft … zu … verlieren, und fühlte mit geschlossenen Augen, wie Walter das Tau packte und ihn daran Stück für Stück nach oben hievte.
    Sie zogen ihn gemeinsam über die Abbruchkante: Walter, Elsbeth, Marquard, Wilbrand und ein halbes Dutzend von Wilbrands Arbeitern. Marquards Hände waren ebenso aufgerissen wie die Rogers’, und er erkannte, dass der lahme Alte versucht hatte, Walter beim Halten des Taus zu helfen, als Rogers abgestürzt war. Walters Handflächen waren voller Blasen. Rogers rollte sich auf den Rücken und sah zu Schwester Elsbeth hoch, die sich nicht darum kümmerte, dass sie barhäuptig war. Er lächelte.
    »Verbrennt mich oder schlagt mich ans Kreuz dafür«, murmelte er, »aber wenn Ihr nicht die schönste Nonne seid, die ich je

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