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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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fest. Sie spürte die Berührung kaum, so eiskalt war ihre Haut. »Bitte! Ich habe mich nicht von dir abgewendet. Warum tust du es jetzt von mir?«
    »Weil ich meine Zukunft sehe«, sagte er. »Weil ich nicht will, dass sie zu deiner wird.«
    »Rogers – weist du mich zurück?«
    Er schluckte. »Ja«, stöhnte er.
    Tränen begannen aus ihren Augen zu laufen. Sie fühlte eine Messerklinge, die sich in ihrem Herzen herumdrehte. Sie hörte eine Stimme flüstern: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnet haben  … Die Blasphemie, Jesu Prophezeiung mit ihrer eigenen Situation in Einklang zu bringen, öffnete einen Höllenschlund, doch der Abgrund, den Rogers’ Worte aufgerissen hatten, war viel dunkler.
    »Weist du mich zurück?«, fragte sie ein zweites Mal.
    Er wand sich. »Hör auf damit! Ja! Ja, ich …«
    »Weist du mich zurück?«, wisperte sie. Sie konnte ihn nun nicht mehr erkennen. Die Tränen schienen aus Säure zu sein und brannten sich in ihre Wangen.
    Er packte sie mit roher Kraft und zog sie an sich. »Nein«, flüsterte er in ihr Ohr, »nein, o Gott, nein, wie konnte ich so etwas nur sagen … wie könnte ich auch nur noch einen Tag ohne dich … nein, Elsbeth, nein, ich …«
    Sie wandte ihm ihr tränenblindes Gesicht zu, und dann spürte sie seine Lippen auf den ihren und spürte seinen Kuss, spürte ihn auf der Zunge und an ihrem Körper und in ihrem Schoß und in ihrer Seele, und sie wusste, wenn es je einen Kuss gegeben hatte, der gegeben werden musste, dann war es dieser.
    Der Kuss schmeckte vollkommen anders als damals in Colnaburg.
    Sie fiel in ihn hinein, diesen Kuss, und in Rogers’ Umarmung und in sein Herz, das sie fühlen konnte, als wenn sie es in der Hand hielte.
    Der Kuss schmeckte viel besser.
    Dann stand sie schwankend und allein im golden werdenden Abendlicht, fröstelnd in der Herbstbrise, verwirrt und mit klopfendem Herzen. Langsam klärte sich ihr Blick, und sie sah Rogers’ schlanke, abgerissene Gestalt in der formlosen Tunika, der den Galgenberg hinaufrannte, als laufe er vor etwas davon, von dem er wusste, dass es alle seine Pläne, all seine Wünsche, jede einzelne Minute seines weiteren Lebens vollkommen verändern würde, wenn er ihm nachgab.
    15.
STALEBERC
     

     
    Im Kamin im ehemaligen Saal der Burg Staleberc brannte ein Feuer. Meffridus und Gabriel starrten hinein. Beide saßen in einem der hochlehnigen Stühle, die der frühere Herr und die frühere Herrin vermutlich benutzt hatten, wenn es um offizielle Anlässe ging. Wer in wem gesessen war, ließ sich nicht erkennen; darum hatte es keinen Streit zwischen den beiden Männern gegeben, wer den Weiberstuhl nehmen musste.
    »Graf Rudolf denkt, du bist tot«, sagte Gabriel nach einer Weile, in der sich das Schweigen im Saal intensiver ausgebreitet hatte als die Wärme der Flammen.
    »Meinetwegen kann er das noch viele Jahre lang denken«, erwiderte Meffridus.
    »Warum bist du gekommen, Michael?«
    »Ich habe den alten Namen abgelegt.«
    »Und einen noch älteren wieder hervorgeholt. Wie lange hast du so geheißen – Meffridus?«
    »Lange genug, um mich dran erinnern zu können.«
    Gabriel seufzte. »Ich weiß noch, wie du ins Kloster eingetreten bist – ein kleiner Junge mit nichts in den Händen außer einem Bündel mit Brot und Käse, das dir deine Eltern als Mitgift in die Hände gedrückt hatten.«
    »Ja«, sagte Meffridus, »und dich haben sie als Säugling vor die Klosterpforte gelegt, und deine Morgengabe war eine Windel voller Scheiße.«
    »Kann nicht viel drin gewesen sein, meine Eltern hatten immer noch nichts zu beißen, als ich sie schließlich fand – fünfzehn Jahre später. Du hast damals nicht nach deinen Eltern gesucht, wenn ich mich recht erinnere. Hast du es später getan? Ist das der Grund, warum du dich in diesem Drecknest namens Wizinsten verkriechst?«
    Meffridus schüttelte den Kopf. »Warum hätte ich sie suchen sollen? Sie haben genügend deutlich gemacht, dass sie mich nicht bei sich haben wollten, indem sie mich im Kloster abgaben. Und ich verkrieche mich nicht, ich lebe hier.«
    »Ich wollte von meinen Eltern selbst hören, warum sie mich weggegeben haben«, sagte Gabriel, ohne auf Meffridus’ Feindseligkeit einzugehen.
    »Und was hast du groß erfahren? Sie haben dir ja nicht mal geglaubt, dass du es bist.«
    »Du hast alles gehört, was damals gesagt worden ist, nicht wahr?«
    »Ich stand draußen Schmiere, weißt du nicht mehr?«
    »Doch, ich erinnere mich«, sagte

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