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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hätten geknüpft werden können. Der Feind hatte es geschafft, so viel Misstrauen zwischen den Gläubigen zu säen, dass keiner mehr dem anderen den Rücken kehren wollte. Es hatte auch zu viele Fälle von Verrat gegeben. Nicht jeder blieb seinem Glauben und seinen Verbündeten treu, wenn er seine Frau und seine Kinder auf dem Scheiterhaufen stehen sah und es nur einen Weg gab, um sie zu retten. Die Motive der Verräter waren verständlich. Verzeihlich waren sie nicht.
    Die Routine war in jedem Ort, durch den sie in den letzten Monaten gekommen, die gleiche gewesen. Der Perser hatte ein paar seiner Männer mit einem Tag Vorsprung ausgeschickt, um im nächsten Dorf erst einmal festzustellen, ob man noch auf dem Gebiet des Mameluken-Sultanats war oder schon im Königreich Jerusalem. Letzteres zu betreten vermied der Perser nach Kräften – nicht ganz unverständlich, wenn man die Art seines Gewerbes betrachtete. War die Luft rein, postierte er seine Gefangenen unter strengster Bewachung am Ortsrand und stolzierte selbst hinein, um den Dorfvorstehern zu erklären, dass nie Dagewesenes auf sie wartete und dass alle es bereuen würden, wenn sie es nicht sähen. Rogers war nie bei diesen Gesprächen dabei gewesen, aber er nahm an, dass der Perser, der eine unleugbar theatralische Ader hatte, auf die Frage, was er denn zu zeigen habe, die Augen aufriss, die Finger zu Klauen formte und flüsterte: »Ungeheuer …!«
    Die Ungeheuer hockten im dürftigen Schatten einer Zeder, die Rücken gegen die halbhohe Mauer gestützt, neben der die Zeder anscheinend nur deshalb ihren Platz am Dorfrand behauptete, weil kein anderer Baum ihn gewollt hatte. Der Geruch nach scharf gewürztem Essen kämpfte mit den Dünsten von Staub, Ziegen, Eseln, Dung und Pisse.
    Schließlich näherte sich eine heftig watschelnde Gestalt vom Dorf her. Die Behausungen flimmerten im Sonnenlicht, das auf dem Meer tanzte; der Wind, der vom flachen Strand ein paar Hundert Schritte hinter dem Dorf wehte, trieb den Staub vor den Füßen des näher kommenden Mannes her. Er gestikulierte schon auf fünfzig Schritt Entfernung. Die Wächter richteten sich träge auf.
    »Wir sind wieder dran«, seufzte Godefroy. »Gott hasst uns.«
    2.
NAMENLOSES KAFF IRGENDWO IN TERRA SANCTA
     

     
    »Falsch«, knurrte Rogers, als sie auf dem Marktplatz der Ansiedlung angekommen waren. »Gott hasst Idioten wie den da vorne.«
    Auf halber Höhe des alten Turms hing ein Käfig an einer Kette. Im Käfig hockte eine Gestalt, die unschwer als christlicher Ritter erkennbar war. Der Mann starrte sie mit offenem Mund an. Rogers wurde sich plötzlich bewusst, wie sie aussahen: verwildert, zerlumpt, bärtig. Der Mann im Käfig wirkte bei weitem nicht so heruntergekommen wie sie. Alles sprach dafür, dass er noch nicht lange hier war. Der Perser musterte den Mann im Käfig ebenfalls, und zwar mit dem Gesicht eines Käufers, der geistig schon in den Preisverhandlungen steckt.
    Rund um den Platz standen die Menschen in mehreren engen Reihen. Es war das übliche Volk in langen Gewändern, Pächter mit weißen Kappen auf den Köpfen, Frauen mit bunten Stickereien auf den Kitteln und Tüchern vor den Gesichtern, Kinder, die bereits die ersten Steine vom unbefestigten Boden des Platzes aufsammelten. Hier und da waren breit gebaute Männer in Mänteln und bunten Hemden zu erkennen. Eine Gestalt fiel besonders auf, ein Bursche, der statt der einfachen Arbeitskappen eine hatta trug, ein Kopftuch, das mit golddurchwirkten schwarzen Kopfringen festgehalten wurde, einen langen, vorne offenen Mantel aus hell und dunkel gemusterter Seide über einem kostbar schimmernden Hemd, schwarze Hosen und hohe Stiefel. Im Gürtel steckte ein langes Krummschwert, die Griffe mehrerer Dolche ragten hervor. Er stand abseits und wirkte, als könne er sich auch im Gedränge Raum verschaffen.
    »Sieh dir den an«, sagte Godefroy. »Der Dorfheld.«
    Tritte in die Kniekehlen nötigten die drei Männer dazu, niederzuknien. Als Rogers den Blick des Gefangenen am Turm einfing, nickte er ihm zu. Der Mann im Käfig blinzelte, als erwache er aus einer Erstarrung. Dann machte er eine gezierte Handbewegung vor der Brust, die gleichzeitig sarkastisch und resigniert wirkte. Rogers lächelte in sich hinein. Der Kerl hatte wenigstens Nerven.
    Der Perser und eine Handvoll älterer Männer unterhielten sich kurz, dann verschwanden sie im Turm. Gleich danach senkte sich der Käfig rasselnd und quietschend auf den Boden herab. Zwei von

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