Die Pforten der Ewigkeit

weiter.
    Der Anführer trat an das Bett heran und betrachtete das Naturphänomen aus nächster Nähe. Der Wirt lehnte sich herüber und versuchte, ihm einen Stoß zu geben. Der Anführer holte nachlässig aus und schlug dem Wirt mit der Faust auf den Kopf. Dann senkte er die Hand mit dem Dolch und fasste mit der anderen in die weiche, weiße Fülle einer gigantischen Brust.
    Der Wirt war ein Speckbulle, dessen Bauchregionen nachbebten, wenn man ihn auf die Schulter klopfte. Doch der Anführer machte den entscheidenden Fehler aller Dünnen, die sich einem Dicken gegenübersehen: Er unterschätzte ihn. Um so viel Gewicht tagaus, tagein durch Gottes Schöpfung zu bewegen, braucht es Muskeln. Man mag sie nicht sehen, aber sie sind da. Außerdem besaß der Wirt Pratzen vom Ausmaß mittlerer Bratpfannen. Er holte ebenfalls aus und schlug zurück.
    Der Anführer von Gabriels Knechten fand sich plötzlich in der Nähe der Tür wieder, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen war. Er schien sich daran zu erinnern, dass ein Schlachtross in ihn hineingaloppiert war. Außerdem war da der Eindruck eines kurzen Flugs durch die Luft. Er sah in die aufgerissenen Münder seiner Spießgesellen, die auf ihn herabstarrten, und sprang auf die Füße. Sofort knickte er wieder ein. Es musste ein eminent großes Schlachtross gewesen sein. Langsam wurde ihm bewusst, dass er nicht auf einem Schlachtfeld stand, sondern in der Schlafkammer des Herbergswirts. Der Mann kniete beschützend im Bett über seiner Frau und schwang die Fäuste.
    Hände hoben den Anführer auf. Er machte den Mund auf, um zu fluchen, und spuckte stattdessen einen Zahn aus. In seinen Ohren klingelte es. Er wollte seinen Dolch heben, doch er hatte ihn verloren. Seine Kameraden schleiften ihn zur Tür hinaus.
    »Hauen wir ab«, sagte einer. »Gabriel wartet nich’ gern. Wenn die sich hier versteckt hätten, hätten der Wirt und seine Alte sie plattgevögelt.«
    »Ich bring die Sau um«, murmelte der Anführer, ohne irgendjemanden damit zu überzeugen.
    In der Kammer starrte der Wirt auf die offene Tür, dann auf seine Fäuste. Er kletterte aus dem Bett und stapfte zum Eingang der Schlafkammer hinüber und schlug sie zu. Auf dem Boden lag der verlorene Dolch. Er bückte sich nicht ohne Mühe und hob ihn auf. Dann sah er das Gesicht seiner Frau.
    Wenn jemals eine Frau ihren Ehemann mit dem Ausdruck absoluter Heldenverehrung angesehen hatte, dann die Wirtin. Sie setzte sich auf und streckte die Hände nach ihm aus. Der Wirt trat überrascht an das Bett heran. Sie griff nach ihm und zog ihn zu sich auf die Matratze.
    Wenn Gabriels Knechte etwas mehr Kaltschnäuzigkeit besessen hätten, hätten sie unter dem Überhang des Wirtsbauchs nachgesehen, ob er und seine Ehefrau tatsächlich Verkehr gehabt hatten, als sie in die Kammer geplatzt waren. Sie hätten dann erkannt, dass es nicht so gewesen war. Jetzt jedoch fand statt, was vorher in der Hast unterstellt worden war. Es war ein weiterer Beweis, dass dünne Menschen dicke Menschen falsch einschätzen. Sie waren nicht drolliger als irgendjemand anders, und statt zu lachen, wenn man sie bei einer scheinbar unvorstellbaren Tätigkeit ertappte, lohnte es sich, so argwöhnisch zu sein wie sonst auch.
    Das Bett begann zu tanzen und zu rucken. Der Wirt stöhnte. Die Wirtin begann zu jubeln.
    Unter dem Bett rollten sich zwei Gestalten mit roten Köpfen heraus. Sie kamen auf die Beine und starrten den erotischen Ringkampf auf dem Bett an. Einer hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen, dann ließ er sie wieder sinken. Der Wirt und die Wirtin hatten keine Augen für sie. Sie schauten nicht einmal auf, als der größere der beiden Männer sich um die Decke bückte und über die beiden wild bockenden Körper breitete.
    »Was jetzt?«, fragte Godefroy.
    »Jetzt sehen wir zu, dass wir hier rauskommen«, sagte Walter. »Ich weiß nicht, was Rogers oder seine Mutter den Schweinekerlen erzählt haben, was aus uns geworden sein soll, aber wenn sie es geglaubt haben, werden sie mit ihren Gefangenen demnächst aufbrechen. Wir dürfen ihre Spur nicht verlieren.«
    Sie schlichen aus der Schlafkammer, in der mittlerweile der Geräuschpegel eines Pferdestalls herrschte, in dem alle Pferde wild ausschlagen und ein wahnsinnig gewordener Minnesänger Stimmübungen vollführt.
    »Ein bemerkenswerter Bursche«, murmelte Godefroy. Hinter ihnen grunzte der Wirt: Ja, ja, ja, JA, JAAAA …!
    »Mit einer bemerkenswerten Frau«, sagte Walter. Die Wirtin ließ ein