Die Pforten der Ewigkeit
Riesenidiot«, sagte Rogers resigniert.
»Ich hätte stärkere Beschimpfungen erwartet«, sagte Gabriel und tat enttäuscht.
»Die hebe ich mir für dich auf.«
»Oh, die Ehre! Weißt du, warum ich beinahe den Glauben an dich verloren hätte?«
Gabriel blickte auf, bevor Rogers antworten konnte. Rudolf trat neben ihn und musterte seine Gefangenen. Mittlerweile hatten seine Soldaten Mühe, die Gaffer zurückzuhalten. Rogers fragte sich, warum er sich mit seiner Beute nicht schnellstens aus dem Staub machte. Stattdessen schien er auf etwas zu warten. Hartmann, der bischöfliche Assistent, stand immer noch unbelästigt zwischen den Soldaten und sandte Rogers mit Blicken verzweifelte Botschaften, die dieser nicht verstand. Ulrich wurde grob davongezerrt.
»Ramons Trencavel«, sagte Rudolf. Rogers’ Vater blickte auf. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. Rudolf lächelte. »Spürst du schon die Flammen?«, fragte er in leidlichem Occitan. »Nicht die deines Scheiterhaufens – wir sind uns doch beide darüber im Klaren, dass dein Ende und das deiner Familie nicht im Feuer stattfinden wird, sondern in Dunkelheit. Die Welt hat dich schon fast vergessen, Ramons, und nur um dich und deine Brut zu vernichten, werde ich die Erinnerung nicht wieder lebendig werden lassen.«
Da sein Vater nichts antwortete, sagte Rogers: »Hat es wehgetan, als ich dir damals vor Carcazona beinahe das Gesicht eingeschlagen hätte?«
»Hat es wehgetan, deinen kleinen Bruder aus dem Erdreich graben zu müssen, wohin mein Pferd ihn gestampft hatte?«, fragte Rudolf zurück, ohne ihn anzusehen, und Rogers schluckte und biss die Zähne zusammen. Rudolf war mit Worten ein ebenso gnadenloser Fechter wie mit der Klinge.
»Ich meine«, fuhr Rudolf fort, »die Flammen, in denen der letzte Rest deiner Welt untergeht. Ihr habt euer Geld einem sterbenden Mann angeboten, Ramons, auch wenn er und ihr das damals noch nicht ahnten. Aber Kaiser Federico war am Ende, und die Idee, mit eurem Vermögen dafür zu sorgen, dass sein Stern noch einmal erstrahlte, war idiotisch. Es gab damals und es gibt heute einen besseren Verwendungszweck dafür. Das Geld hätte von Rechts wegen mir gehören sollen. Ich werde es der einzig richtigen Verwendung zuführen!«
Rudolf beugte sich zu Ramons hinab. »Die Flammen«, wiederholte er, »in denen deine Welt untergeht. Mit dem Ketzerschatz werde ich mir den Weg zum Kaiserthron ebnen, und wenn ich die Reichskrone erst trage, wird es schnell vorbei sein mit deinesgleichen – mit denen, die sich noch im Langue d’Oc verstecken, mit den Narren in Norditalien und den letzten verstreuten Dummköpfen in Deutschland. Das Reich ist die spirituelle Einheit von Kirche und Kaiser. Federico hat das nie verstanden. Für ihn war das Reich immer nur er, er, er – ein Mann, eine Krone, zwei Schwerter. Dass euer Irrglaube die Kirche schwächte, empfand er als Vorteil. Er war verblendet. Ich aber bin es nicht. Ich werde eine Dynastie gründen, und die Kirche wird mir dabei helfen und mir noch aus der Hand fressen, weil ich der Retter des Reichs sein werde.«
»In hoc signo vinces« , sagte Rogers. »Glaubst du wirklich, du hast die Statur eines Konstantin?«
»Warum sollte es mich danach verlangen, wo doch die Statur des Rudolf von Habisburch ungleich viel mehr Macht beinhaltet?«
Ein Soldat flüsterte Rudolf ins Ohr. Der Graf nickte und folgte dem Mann. Gabriel trat wieder an seine Stelle und ging vor Rogers in die Hocke. Dann aber redete er Ramons an.
»Mesire Ramons«, sagte er, und Rogers erinnerte sich, dass er auch in Terra Sancta ausgezeichnetes Occitan gesprochen hatte, »ich weiß, warum Euer Sohn so gnädig mit dem jungen Dummkopf war. Wer verflucht sich schon selbst gerne. Habe ich vorhin nicht gesagt, ich hätte beinahe den Glauben an Rogers verloren? Das war, als er fünf Tage brauchte, um aus der Altenburg auszubrechen. Fünf Tage lang haben Seine Erlaucht und ich uns die Beine in den Bauch gestanden, bis er endlich fähig war zu entkommen, und selbst dazu brauchte er noch seine zwei Wasserträger. Welch eine Enttäuschung! Gut, dass ich der Versuchung widerstanden habe, auf ihn zu wetten, sonst wäre ich mein Geld losgeworden. Ich war fest überzeugt, dass er nur zwei Tage zur Flucht benötigen würde.«
Ramons starrte Gabriel an. Die Wangenmuskeln von Rogers’ Vater spielten, aber sonst war sein Gesicht so ausdruckslos wie zuvor. Erst nach und nach sickerte in Rogers’ Bewusstsein, was Gabriel eigentlich
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