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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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schneiden. Er stimmte zu, als ich ihm erklärte, es würde nicht gut aussehen, wenn dein verfaulender Kadaver bezeugte, dass wir doch nicht unverwundbar wären. Mit Uriel hatten wir noch Glück, dass er allein in der Schilfhütte am Fieber krepierte und nicht mitten im Feldlager des Kaisers; wobei – wenn er zwei Tage später gestorben wäre, hätte er wenigstens das Attentat auf den Kaiser noch durchführen können, und wir beide würden jetzt nicht hier sitzen und gemeinsam nach deiner Scheiße stinken. Wie auch immer … du schuldest mir was, Bruder.«
    »Mein Leben«, hauchte Azrael.
    »Genau. Jophiel, der Idiot, ist daran schuld, dass sie dich aufgeknüpft haben. Übrigens – die Narbe wird dir bleiben, mein Freund. Gabriel hat dich hängen lassen. Du schuldest den beiden keine Treue mehr. Was mich betrifft, ich werde zu Gabriel zurückkehren und ihm sagen, dass ich dich neben der Straße verscharrt habe. Kannst du schon wieder denken? Mach was draus. Ich verlasse mich auf dich.«
    Azrael hatte schwach gelächelt. »Mir fehlt noch eine Information.«
    Michael hatte zurückgelächelt. »Was?«
    »Was du vorhast.«
    Michael hatte es ihm gesagt. Er hatte die Augen aufgerissen. Es war dreifacher Verrat gewesen – an Gabriel, an Graf Rudolf, an Kaiser Federico. Es war perfekt gewesen. Vor allem, als sein stets planender Verstand innerhalb von Sekunden eine Möglichkeit gefunden hatte, wie er gleichzeitig auch noch Bruder Jophiel seinen Fehler heimzahlen konnte.
    Was die Situation hier betraf, hatte die Möglichkeit bestanden, sich im Schutz der Dunkelheit an den bei der Grabung herumschnüffelnden Gabriel anzuschleichen und ihn zu töten. Doch Azrael war sich des Geruchs, den er verströmte, durchaus im Klaren. Er würde ihn verraten, bevor er nahe genug heran war, um Gabriel mit einem Armbrustbolzen an den Boden zu nageln. Außerdem wusste er nicht genau, wo der Soldat sich herumtrieb. Und es war Gabriel zuzutrauen, dass weitere Wachposten irgendwo in der Finsternis lauerten. Der Plan, dem er jetzt folgte, war daraufhin ganz natürlich gekommen.
    Er räusperte sich und rief mit seiner ruinierten Stimme, als er den halben Hang zum Damm hinaufgeklommen war: »Gott sei Dank, ein Licht! Das muss das Wunder der Christnacht sein! Hallo dort oben, gute Leute! Könnt ihr mir helfen?«
    Gabriel stand plötzlich auf dem Damm, die Laterne abgedeckt in der Hand und die Armbrust im Anschlag. Azrael lächelte. Der Mann würde noch auf dem Totenbett achtsam sein und eine Waffe im Anschlag halten, falls es ihm gelingen sollte, den Sensenmann in einen Hinterhalt zu locken. Der Damm würde heute Gabriels Totenbett sein, so viel war sicher. Azrael zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und kletterte zum Damm hinauf. Den offenen Mantel hielt er mit der freien Hand zusammen. Die andere versteckte seine gespannte Armbrust unter dem weiten Gewand des fetten Pfeffersacks, den ihm im Übrigen der Teufel in den Weg geschickt haben musste, um ihm zu helfen.
    »Hallo!«, rief er. »Ach Gott, ich bin so erleichtert. Mein Pferd hat mich abgeworfen. Ich irre seit Stunden im Wald herum. Ist das dort unten Ebra? Ich will nach Ebra.« Er begann ein überzeugendes Schluchzen. »Ach, das ist wirklich das Wunder der Christnacht. Ich bin gerettet, guter Mann!«
    Gabriel ließ die Armbrust langsam sinken. Azrael erklomm den Damm. Er spürte, wie Kühle ihn durchströmte, wie immer, kurz bevor er tötete. Er wusste, dass danach nichts mehr so sein würde wie zuvor, und fühlte beinahe Wehmut, sein Einsiedlerleben aufzugeben.
    Die dämlichen Mönche in Ebra hatten gedacht, er würde ein Leben voller Entbehrungen fristen in seinem Rindenkobel. Sie hatten sich auch nie die Mühe gemacht, tiefer in das Walddickicht einzudringen, sonst hätten sie die Höhle gefunden, in der er in Wahrheit hauste. Die Höhle war mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet, und was ihm zum täglichen Leben fehlte, hatte Bruder Michael, der sich seit damals wieder bei seinem Taufnamen Meffridus nennen ließ, ihm alle zwei bis drei Wochen persönlich vorbeigebracht. Es war ein gutes Leben gewesen, vor allem eines fernab der Menschen. Die sporadischen, wohlmeinenden Besuche der Mönche hatte er ertragen. Sie waren Bestandteil des Kontrakts gewesen, den Meffridus mit dem Abt von Ebra geschlossen hatte. Der Abt hatte nie genau gewusst, worum es eigentlich ging, aber er hatte gewusst, dass Michaels – Meffridus’ – Großzügigkeit ihm ermöglichte, mit der Vergrößerung

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