Die Pforten der Ewigkeit
sehen.
»Jetzt sehe ich doch noch dir dabei zu, wie du zur Hölle fährst«, krächzte Bruder Azrael.
»In deine Hände, Herr …«, sagte Gabriel.
Rudolf schlug zu. Rogers schloss die Augen. Er hörte das Geräusch, mit dem die Klinge durch Fleisch und Knochen fuhr. Der Kopf rollte über den unebenen Boden davon mit einem kranken Geräusch. Es war still, bis auf Adaliz’ Schluchzen und Rudolfs schweren Atem.
»Wo finde ich Bruder Michael?«, grollte der Graf.
18.
PAPINBERC
Bischof Heinrich stapfte im piano nobile von Daniel bin Daniels Haus umher, fuhr hier mit dem Finger Schnitzwerk nach und kratzte dort am Mauerschmuck der Fensternischen.
»Das ist Blattgold«, sagte er. »Blattgold! Was für eine Sünde, eh?«
»Inwiefern, ehrwürdiger Vater?«, fragte der jüdische Kaufmann. Er stand zwischen zwei von des Bischofs Soldaten, so aufrecht und elegant wie immer. In einer der Mauernischen saß Daniel bin Daniels Frau Rahel und schluchzte. Der Bischof sah aus, als wolle er sie jeden Moment auffordern, beiseitezurücken, damit er auch hier die Fresken genauer in Augenschein nehmen konnte. Dann drehte er sich zu Daniel bin Daniel um und wippte auf den Fußballen.
»Sünde, dass so ein Reichtum im Haus eines Juden ist statt in unserem Dom!«, schnappte er.
»Ich bin sicher, wenn der ehrwürdige Vater die Christvesper, die soeben dort stattfindet, mit seiner Anwesenheit beehren würde, anstatt mein bescheidenes Heim aufzusuchen, wäre genügend Glanz im Papinbercer Dom«, sagte Daniel bin Daniel.
Der Bischof schien nicht ganz sicher, ob dies eine Schmeichelei oder eine versteckte Beleidigung war. Er wippte ein paar Augenblicke lang weiter und beschloss dann offensichtlich, es als Schmeichelei zu werten. Jemand, den er in den nächsten Minuten zu ruinieren und dann aus der Stadt zu vertreiben beabsichtigte, würde sich keine Frechheiten erlauben. Mit irritierter Miene betrachtete er bin Daniels Frau, die nicht aufhörte zu schluchzen.
»Einem Ketzer zu helfen!«, grollte er. »Ich könnte Euch und Eure Familie jederzeit auf dem Domplatz verbrennen lassen!«
Die Frau schluchzte lauter.
»Ihr werdet verzeihen, wenn einem ungläubigen Juden die Unterschiede in den einzelnen christlichen Glaubensströmungen nicht so ganz geläufig sind«, sagte der Kaufmann. »Für mich hörte sich der Mann so an wie – Ihr verzeiht die plumpe Beschreibung – einer von Euch.«
»Pah! Die Ketzer behaupten, sie allein wären die wahren Nachkommen der ersten Christen! Nur wer an ihre Kirche glaubt, kann die Erlösung erlangen. Die Verbindung von Mann und Frau prangern sie als Unzucht an, und alle anderen Glaubensbekenntnisse sind für sie vom Teufel geschaffen!«
»Seht Ihr.« Daniel bin Daniel zuckte mit den Schultern. »Wie soll man das auseinanderhalten?«
Der Bischof starrte ihn an. Plötzlich war er sicher, dass auch die vorherige Bemerkung keine Schmeichelei gewesen war. »Euch werden die Frechheiten noch vergehen, Jude!«, flüsterte er. »Sobald die Christvesper vorbei ist, lasse ich Euch und Eure Brut mit Ruten aus der Stadt hinausstreichen! Und die guten Bürger von Papinberc werden Euren Weg säumen und Beifall klatschen. Euer Volk hat Christus gemordet; es wird dem Herrn im Himmel ein Wohlgefallen sein, wenn er sieht, wie ich Euch am Fest seiner Geburt hinaus in die Wildnis jage!«
Zwei der bischöflichen Soldaten polterten in den Raum. Zwischen sich schleppten sie ein Betttuch, in dem schwere Dinge schepperten. Sie leerten das Tuch auf den Boden des Saals aus. Ein siebenarmiger Leuchter, eine Torarolle mit Kronen und eine Etrog-Dose polterten auf die Dielen.
»Das haben wir in einem Seitenraum gefunden, ehrwürdiger Vater!«
Der Bischof bückte sich und kratzte an einem der Arme des Leuchters. »Ich will verdammt sein«, sagte er. »Das ist massives Gold! Und das hier auch. Und das hier. Im Dom ist nur der Abendmahlskelch massives Gold!«
»Ich weiß«, sagte der jüdische Kaufmann. »Die jüdische Gemeinde Papinbercs hat ihn gestiftet.«
Daniel bin Daniels Frau fiel vor Bischof Heinrich auf die Knie und hob flehend die Hände. »Bitte, ehrwürdiger Vater!«, schluchzte sie. »Habt Gnade! Bitte! Im Namen der Barmherzigkeit, für die Jesus Christus steht!«
»Rahel«, sagte Daniel bin Daniel tadelnd, »du musst den Bischof nicht an die christlichen Tugenden erinnern. Er lebt sie alle in vorbildlichem Maß.«
Bischof Heinrich erhob sich, trat einen Schritt auf den jüdischen Kaufmann zu und
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