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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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musste doch die Laterne liegen! Wenn er Glück hatte, war das Öl nicht ausgelaufen. Er würde sie entzünden können, dann hätte er wenigstens ein bisschen Licht.
    Er stockte. Das Feuerzeug war in der Gürteltasche gewesen, und diese hing jetzt an der Hüfte des stinkenden, unbekannten Kleiderdiebs.
    Wolfram fluchte leise.
    Vom See her ertönte ein Plätschern. Er erstarrte in seinen Bewegungen.
    »Hallo!?«, quiekte er dann.
    Ein leises Flüstern antwortete ihm. Es ließ ihn noch mehr erstarren. »Ortwin?« Das Flüstern kam vom See. Vom Treibholzhaufen.
    »Ich … äh …«, wisperte Wolfram.
    »Ortwin?«
    »Nein … ich bin … ich bin Wolfram Holzschuher. Wer seid Ihr?«
    »Wolfram Holzschuher?«
    »Ja …«
    Wolfram vernahm erneut das Plätschern. Es schien sich zu nähern. Einen kurzen Moment überfiel ihn Panik, als ihm klar wurde, dass sich jemand draußen auf dem Treibholzhaufen versteckt hatte und jetzt wieder zum Ufer arbeitete. Dann hörte er die nächste Frage, und sie rief einen so scharfen Schmerz in seinem Herzen hervor, dass er die Panik verdrängte.
    »Der Vater von Jutta Holzschuher?«
    Wolfram schluchzte. Doch statt in tiefste Schwärze zu versinken wie zuvor, kämpfte sich sein Bewusstsein wieder nach oben. Jutta war tot. Es war schlimm, es war ungerecht, es war das Schrecklichste, was einem Vater passieren konnte, aber es war so, sonst wäre sie schon lange, lange wieder zurückgekehrt. Hier und jetzt gab es etwas Wichtigeres: das Loch im Damm und die Fremden, die um die Stadt herumschlichen.
    »Ja …«
    »Wo ist Ortwin?«
    »Wer seid Ihr?«
    »Wo ist Ortwin? Hat es ihn erwischt?«
    Das Plätschern hörte sich an, als kämpfe sich jemand durch knietiefes Wasser an Land. Wolfram richtete sich halb auf und kniff die Augen zusammen. Gegen das vage Schimmern der Wasseroberfläche zeichnete sich ein schwankender Schatten ab, der sich schüttelte wie ein nasser Hund.
    »Wolfram? Wo, zum Henker, ist Ortwin?«
    »Wer ist Ortwin?«
    Der Schatten stapfte an der Wasserlinie entlang. »Ortwin! Ich bin’s … ich … ah, Scheiße.«
    »Was ist?«
    Der Schatten schwieg ein paar Augenblicke. »Ich hab ihn gefunden«, brummte er dann. »Bei Gott, dieser Teufel kann mit dem Bogen umgehen!«
    Wolfram erschauerte. Er hielt Ausschau nach dem Schatten, aber dieser schien sich bei dem Getöteten niedergekauert zu haben. Er war nicht mehr zu sehen …
    »Hallo?«
    … und zu hören.
    Wolfram rappelte sich auf. Er hatte wieder zu schlottern begonnen. Die nutzlose Laterne schwang in seinen klammen Fingern.
    »Hallo …?«
    Der Schatten war plötzlich vor ihm. »Hör auf rumzuschreien!«, zischte er. Wolfram stolperte rückwärts, das Herz hämmernd vor Schreck. Er fühlte, wie ihm die Laterne weggenommen wurde.
    »Hast du Feuerzeug?«
    »Arglgl …«, machte Wolfram.
    »Scheiß drauf, ich hab selber eins. Ist hoffentlich nicht nass geworden.«
    Funken flogen, dann flackerte ein kleines Flämmchen auf. Die Laterne leuchtete. Der Schatten hob sie hoch. Wolfram keuchte. Das Licht fiel auf ein zerfurchtes, hageres Gesicht mit einer schiefen Nase und einer Binde über einem Auge. Der Mann grinste. Wolfram erkannte das Grinsen. Er fiel auf die Knie. Er war jetzt sicher, dass er irgendwo zwischen der Begegnung mit dem stinkenden Fremden und dem Mann hier gestorben war und sich in der Hölle befand. Sie war nicht voller Feuer und blutrünstiger Teufel, sondern dunkel, kalt und von Orientierungslosigkeit und heftiger Angst bestimmt.
    »Rudeger …«, hauchte Wolfram. Er fand noch Kraft, sich zu bekreuzigen.
    »Wie er leibt und lebt«, grinste Rudeger. »Vergiss alles, was du über mich gehört hast. Los, ich brauche deine Hilfe. Ortwin ist tot. Der Pfeil ging mitten durch sein Herz.«
    20.
PAPINBERC
     

     
    »Na endlich«, sagte Bischof Heinrich ungeduldig und stutzte dann. »Wer, zum Henker, ist das?«
    Er deutete auf den Mönch, der hinter Propst Rinold zur Tür hereinkam. Der Mann war hager und nicht mehr ganz jung und sah so aus, als habe er die letzten hundert Jahre nicht richtig geschlafen. Die Augenbrauen des Bischofs hoben sich noch weiter, als er sah, wer hinter dem Mönch den Saal betrat. Er widerstand einem unwillkürlichen Impuls, dem Juden den prachtvollen Mantel zurückzugeben, den dieser ihm gerade ausgehändigt hatte.
    »Das ist wohl kaum der richtige Ort für Euch, Schwester«, sagte er indigniert. »Das Haus eines Juden und Ketzerfreundes! Und Ihr seid auch noch allein!«
    »Der Propst und Ihr

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