Die Pforten der Ewigkeit
seine Verzweiflung. Er raffte seine letzte Kraft zusammen und ließ die Klinge wirbeln. Gabriel parierte und blockierte und wich aus, aber er verlor einige Schritte Boden. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Er blickte sich über die Schulter um, dann trat er einfach auf den leblosen Leib Walters.
»Gut, Trencavel, sehr gut!«, rief er. »Ich bin froh, dass ich dir in Terra Sancta nicht die Sehne durchtrennt habe. Ich hätte mich um ein Vergnügen gebracht.«
Seine beiden Waffen machten plötzlich eine komplizierte Bewegung, der Rogers nicht einmal mit den Augen folgen konnte. Er riss das Schwert hoch. Eine Erschütterung durchfuhr seinen Arm, die seine Zähne aufeinanderschlagen ließ. Graf Rudolfs Schwert schrie mit einem metallischen Klang auf, dann flogen zwei Drittel der Klinge davon. Rogers starrte auf den Stumpf, den er in der Hand hielt. Die abgebrochene Waffe fiel auf den Boden. Rogers’ Hand sank nach unten. Mit mehr Erstaunen als mit Schreck nahm er wahr, dass er sie nicht länger heben konnte. Der ganze Arm war von diesem einen, letzten Zusammenprall gelähmt.
»Gleich wirst du wissen, wie es im Paradies für Ketzer aussieht«, sagte Gabriel im Konversationston.
Walters Hände fuhren nach oben, packten seine Knöchel und rissen daran. Gabriel fiel mit einem Aufschrei nach vorn.
»Nicht so schön wie in England, das du niemals sehen wirst!«, schrie Walter.
Gabriel schlug auf den Boden. Das Falchon fiel ihm aus der Hand. Rogers bückte sich wie im Traum danach. Seine Rechte war immer noch lahm, aber seine Linke funktionierte. Gabriel sprang wieder auf die Beine. Er hatte sich auf die Lippe gebissen. Blut strömte ihm übers Kinn. Rogers holte mit dem Falchon aus und schlug zu, mit all der fehlenden Geschicklichkeit und der rohen Kraft seiner ungeübten linken Hand. Gabriel parierte und taumelte zurück. Rogers schlug erneut zu. Er spürte, wie das Gefühl in seine rechte Hand zurückkehrte. Gabriel parierte wieder. Rogers schlug ein drittes Mal zu, führte das Falchon mit beiden Händen. Gabriels Klinge zersprang.
Gabriel starrte ihn an.
Dann machte er eine blitzschnelle Handbewegung, eine lange dünne Messerklinge glitzerte auf einmal in seiner Rechten, und er sprang in Rogers hinein und stieß zu.
Er stieß vorbei.
Gabriel blickte in Rogers’ Gesicht.
Er schaute an sich selbst nach unten, wo das Falchon in seinem Leib steckte.
Ächzend versuchte er, die Rechte mit dem Messer zu heben, doch sie sank sofort wieder herab. Er hob die Linke, als wollte er Rogers die Augen auskratzen. Rogers stieß einmal nach.
Gabriels Knie gaben nach, und er fiel nach hinten um. Er wälzte sich auf die Seite und begann zu zucken. Schwach versuchte er, sich die Klinge aus dem Leib zu ziehen. Das dünne Messer, das an seinem Unterarm befestigt war, brach ab. Blut lief ihm auf einmal aus dem Mund, aus der Nase. Er stöhnte.
Walter rappelte sich auf und presste sich die Hand auf den Leib. »Wir Engländer sind dünner, als wir aussehen. Du hast mich nur geritzt.«
»Das war ein mieser Trick«, murmelte Gabriel kaum verständlich.
Walter blickte auf ihn hinunter. »Du bist zu gut, als dass man anständig mit dir kämpfen könnte«, sagte er.
Gabriel lächelte schmerzverzerrt. Er schloss die Augen und sprach kein Wort mehr, während sein Blut sich mit dem Schlamm und dem Regen vermischte.
Dann platzten Everwin Boneß und Meister Wilbrand in den Kreuzgang. Everwins Wangen leuchteten, als hätte ihn jemand geohrfeigt. Wilbrand keuchte. Everwin quiekte in den höchsten Tönen: »Das Wasser kommt!«
30.
GALGENBERG
Das Wasser schoss aus dem Loch, das der fallende Baumstamm in den Damm geschlagen hatte, ein dicker, schwarzer Strahl in der Finsternis. Innerhalb von Sekunden rissen der Druck und das zusammenbrechende Gerüst mit der Gleitrinne das Loch noch mehr auf, erweiterten es zu einem senkrechten Spalt. Das Wasser schäumte, brüllte, tobte hindurch, riss kopfgroße Steine mit sich und schleuderte sie gegen die Wände des Gangs wie Geschosse aus einem Trebuchet. Der vordere Teil des Treibguthaufens setzte sich in Bewegung, kleinere Stämme rutschten in den Gang, polterten über seinen Untergrund, verkeilten sich, rissen sich wieder los und schlugen dabei zentnerweise Geröll aus den Wänden. Der Gang verwandelte sich in einen Trichter, dessen enge Öffnung sich auf der jenseitigen Seite des Dammes befand und dem Bombardement von Steinen und Holztrümmern ausgesetzt war. Baumstämme kippten,
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