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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die Armbrust, die Meffridus ihm zugeworfen hatte, aus der Luft, fing den Bolzen auf, legte ihn in die Rinne, wirbelte herum und schoss den Bolzen Graf Rudolfs Pferd mitten durch den Schädel. Das Pferd stolperte und brach dann zusammen. Rudolf und Yrmengard wurden abgeworfen. Zu diesem Zeitpunkt war Rogers schon auf den Beinen. Er rannte mit voller Wucht in den ihm zunächst stehenden Soldaten hinein, dass dieser an die Wand des Kreuzgangs prallte und daran herunterrutschte. Rogers riss ihm die Armbrust aus den Händen, drehte sich um und erschoss den Soldaten, der ein paar Schritte weiter stand. Der Mann hatte noch nicht einmal reagiert. Der Bolzen warf ihn nach hinten und ließ ihn über den regen- und schlammfeuchten Boden schlittern. Rogers hetzte wieder unter dem Pultdach heraus. Ein Soldat verfolgte ihn, doch als Rogers sich umdrehte und mit der leergeschossenen Waffe in seine Richtung zielte, warf der Mann sich voller Panik auf den Boden. Rogers hörte jemanden aus vollem Hals brüllen und merkte, dass er es war. Er brüllte: »Schnappt sie euch! Schnappt sie euch!«, und rannte durch die wild durcheinanderschreienden Geiseln. Wer ihm nicht aus dem Weg ging, über den sprang er hinweg oder trat ihn zur Seite. Er hatte nur ein Ziel vor Augen: Yrmengard. Er sah immer noch, wie der Bolzen das Pferd fällte. Ein leichtes Zittern hätte genügt, und Godefroy hätte stattdessen Yrmengard erschossen. Rogers hatte dem kleinen Johanniter das anvertraut, was ihm am wertvollsten war, und Godefroy hatte das Vertrauen gerechtfertigt. Rogers Beine rannten im Takt mit seinem trommelnden Herzschlag.
    Er sah, dass Constantia durch den Durchgang schlüpfte, der den Kreuzgang mit der Kirche verband, sah einen Armbrustbolzen von der Wand abprallen, wo sie gerade noch gewesen war, sah Meffridus ein halbes Dutzend Schritte hinter ihr, wie er mit einer fast leichtfüßigen Pirouette an dem Soldaten vorbeihuschte, der auf Constantia geschossen hatte, sah den Soldaten röchelnd an seinen Hals greifen und auf die Knie fallen.
    »Schnappt sie euch! Schnappt sie euch!«
    Die ersten Geiseln sprangen auf. Armbrüste lösten aus, und die Aufgesprungenen flogen nach hinten und verschwanden zwischen ihren Leidensgenossen, doch immer mehr kamen auf die Beine. Und immer mehr nahmen Rogers’ Geschrei auf.
    »Schnappt sie euch!«
    Ein dicker Mann rappelte sich direkt vor Rogers auf, und Rogers erkannte Everwin Boneß, den Bürgermeister. Ein harter Aufprall, und Everwin überschlug sich und riss zwei Wizinstener um. Rogers sprang mit einem Satz über die verkeilten Leiber hinweg, den er unter normalen Umständen niemals geschafft hätte. Er fühlte einen brutalen Schlag, der ihn halb herumwirbelte, und wäre fast gestolpert. Reflexartig griffen seine Hände zu. Er hielt nur noch den gesplitterten Schaft der Armbrust in den Händen. Hinter ihm versuchte der Soldat, dessen Streitaxthieb die Armbrust aufgefangen hatte, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen. Mehrere Wizinstener stürzten sich auf ihn, und er ging mit ihnen zu Boden.
    Rogers erfasste all dies und erfasste es doch nicht. Was seine Augen sahen, war etwas anderes als das, was sein Hirn aufnahm. Für ihn gab es nur Yrmengard, die benommen auf die Beine zu kommen versuchte und sich gegen Graf Rudolf wehrte, der unter seinem gefallenen Pferd eingeklemmt war. Rudolf hielt Yrmengard mit einer Hand an ihrer Tunika fest und angelte mit der anderen nach dem Dolch in seinem Gürtel. Sein Schwert hatte er verloren. Rogers schrie auf. Rudolf bekam den Dolch frei. Rogers sah plötzlich, wie Rudolfs Pferd auf dem Schlachtfeld vor Carcazona über den gefallenen Gaul von Jung-Ramons setzte und Rogers’ kleinen Bruder zertrampelte. Diesmal würde Graf Rudolf nicht wieder ein Stück aus Rogers’ Leben schneiden. Er flog förmlich auf Rudolf und Yrmengard zu. Ein Soldat tauchte vor ihm auf, eine Axt schwingend, den Mund weit aufgerissen. Rogers rammte die gesplitterte Armbrust in dieses brüllende Loch und sprang über den Unseligen hinweg.
    Plötzlich war er vor dem toten Pferd, dann auf ihm. Ohne innezuhalten, trat er gegen Rudolfs Hand. Der Dolch wirbelte davon. Rudolf schrie auf. Rogers hechtete in Yrmengard hinein, warf sich herum, prallte auf den Boden, schlitterte mit ihr in den Armen auf dem Rücken dahin, knallte mit dem Kopf gegen die Brüstung der Säulen. Yrmengard keuchte. Rogers rollte sich auf sie, um sie mit seinem Leib zu schützen, doch niemand griff sie an. Er stierte in ihre Augen.

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