Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
stürzte ein. Constantia griff instinktiv nach Meffridus’ Hand, aber im selben Moment rutschte sie mit den Steinen nach unten und klatschte in eiskaltes Wasser, das vor Schlamm und Dreck so zäh war wie Öl. In blinder Angst kämpfte sie sich nach oben. Sie wurde herumgewirbelt. Das Wasser konnte nicht mehr als hüfttief sein, aber die Gewalt, mit der es heranbrodelte, hätte es ebenso gut Hunderte von Fuß tief sein lassen können. Sie spuckte und würgte und hustete und schlug mit den Armen um sich. Das Wasser schleuderte sie gegen etwas Hartes, sie fühlte einen stechenden Schmerz, aber sie konnte sich an dem Hindernis festhalten. Es war eine Steinmetzhütte, die an der Ecke zwischen Nordwand und Fassade der Kirche gestanden hatte, nicht mehr als vier tief in den Boden getriebene Holzpfosten mit einem Pultdach darüber. Die Konstruktion zitterte und knarrte. Das Wasser drückte Constantias Kopf unter Wasser. Keuchend kam sie frei.
    Sie sah Meffridus in Sicherheit auf dem Sims kauern und war erstaunt, dass er nur ein paar Schritte weit entfernt war. Sie hätte die Distanz mit wenigen Sprüngen zurücklegen können. Sein Gesicht war ein weißer, suchender Fleck in der Dunkelheit. Er entdeckte sie, und aus dem weißen Fleck wurde ein verzerrtes Antlitz, in dem zwei Augen funkelten. Sein Blick fing den ihren ein.
    Dann irrten sie ab, und sie sah den Baumstamm, der wie der stachelige Kadaver eines toten Drachen auf sie zurollte.
    Meffridus schwang sich über die Kirchenmauer und war im nächsten Moment auf der anderen Seite verschwunden.
    So endet meine Rache , dachte sie. Ich sterbe, mein Kind stirbt, aber er wird leben. Ich habe versagt .
    Dann dachte sie: Dies ist die größte Rache, die ich an ihm nehmen kann. Meffridus liebt nur zwei Menschen auf der Welt – mich und das Kind. Beide wird er verlieren .
    Sie dachte, dass unter diesem Aspekt Sterben ganz leicht war.
    Dann fiel ihr ein, dass sie nichts so sehr wollte wie leben, und dass unter ihrem Herzen ein zweites Herz schlug, das es ebenfalls verdient hatte zu leben.
    Sie begann zu schreien.
    Der Baumstamm war fast heran.
    Eine Gestalt schnellte neben ihr aus dem Wasser und schlang die Arme um sie.
    »Ich liebe dich«, sagte Meffridus.
    Dann war der Baumstamm über ihnen.
    32.
ALTES BENEDIKTINERKLOSTER, WIZINSTEN
     

     
    Ramons Trencavel platschte durch das Wasserbecken und durch absolute Finsternis. Er rief nach seiner Frau und seiner Tochter, doch er bekam keine Antwort. Endlich prallte er gegen eine Wand und tastete sich daran entlang. Er merkte, dass es der Gang sein musste, der zu der Stelle führte, an der Olivier de Terme, seine Familie und ein Dutzend ermordeter Benediktiner lagen. Stöhnend arbeitete er sich in der Gegenrichtung zurück.
    »Sariz!«
    Keine Antwort.
    »Adaliz!«
    Stille.
    Dann wurde ihm klar, dass er so viel Lärm machte, dass er ein leises Ächzen oder Flüstern nicht gehört hätte. Er zwang sich, stehen zu bleiben. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Er versuchte, nicht darauf zu achten. Was er hörte, stellte ihm die Haare auf.
    In dem Gang seufzten die Seelen der Erschlagenen.
    Er starrte in die Finsternis. Als er einen kalten Lufthauch spürte, fuhr er herum, plötzlich überzeugt, dass der Leichnam Oliviers hinter ihm stünde und ihm zu sagen versuchte, dass er, Ramons, der Letzte von ihnen war und dass er sich nun zu ihnen gesellen müsse.
    Der Lufthauch wurde stärker und traf ihn dann auf einmal wie eine Bö, die den Angstschweiß auf seiner Stirn erkalten ließ. Die Bö trug den Geruch von Grab und Moder und Verfall mit sich, aber auch den von nasser Erde, von Schlamm und von Wasser.
    Er hob einen Fuß vom Boden. Es schmatzte. Als er ihn wieder senkte, gab es ein Geräusch, als ob er in eine Lache trete.
    Der Boden des Gangs war auf einmal voller Wasser!
    Mit der Bö war auch das seufzende Geräusch verschwunden. Ramons biss die Zähne zusammen. Es war nichts anderes gewesen als der Luftzug, der durch den Gang gekommen war und der irgendwo, in diesem unbekannten Labyrinth aus menschengemachten und natürlichen Durchlässen und Höhlen, seinen Anfang genommen hatte. Ramons hatte keine Vorstellung, was ihn ausgelöst haben mochte. Er tappte weiter und erkannte zu seinem Schreck, dass das Wasser bereits knöcheltief war und eine deutliche Strömung aufwies.
    »Sariz! Adaliz!«
    Wieder blieb er stehen, bemühte sich zu lauschen, bezähmte das Hämmern seines Herzens. Er zuckte zusammen – war das ein Stöhnen

Weitere Kostenlose Bücher