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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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stellten sich senkrecht, schwangen herum wie kleine Stöckchen in einem Wildbach, trommelten auf das Dach und die Seitenwände des Gangs ein. Wäre Rudeger noch am Leben und nicht ein zerschmetterter, vollkommen entstellter Leichnam gewesen, den das Wasser Seite an Seite mit dem toten Wolfram Holzschuher den Hügel hinunterschwemmte, wäre er beeindruckt gewesen von der Gewalt, die sein Plan ausgelöst hatte.
    Der Damm zitterte.
    Das Wasser spritzte auf, als würde ein plötzlicher Wirbelsturm es aufpeitschen.
    Ganze Baumkronen wurden umhergeworfen wie Spielzeug.
    Der Spalt im Damm riss auf. Das Wasser stürzte hinein und gischtete in die Höhe, toste und brauste und zischte. Das Mahlen der Steine und des Treibguts polterte lauter als Donner.
    Der Damm erzitterte.
    Dann brach er über seine gesamte Tiefe über dem Gang ein, den Rudeger und die drei anderen gegraben hatten. Ein Einschnitt entstand, zuerst drei, dann fünf, dann zehn Mannslängen breit. Das Wasser röhrte heraus. Die Treibgutinsel schob sich über den Rand des Damms und schien zu zögern, und einen Augenblick lang war es möglich, dass das Treibholz sich so auf der Dammkrone verkeilte, dass es dort bleiben würde. Dann kippte der riesige, ineinandergeschobene Haufen, kippte mit Knirschen und Krachen und dem Brüllen eines wütenden Drachen. Das Wasser kam durch den Einschnitt wie eine Kaskade, eine monströse, braune, schlammige, absolut tödliche Flut aus durcheinanderwirbelnden, zerberstenden Holzstämmen, aus zerplatzenden Steinen und sich überschlagendem Geröll, schäumte in einem zehn Mannslängen breiten Strahl aus dem Damm und rollte den Berg hinunter, der greifbar gewordene Zorn Gottes und des Teufels gleichermaßen.
    31.
PORTA COELI
     

     
    Für Constantia sah es so aus, als sei der gesamte Galgenberg lebendig geworden. Sie schrie auf, als der Boden sich schüttelte und zu beben begann, und sie stolperte über ihre eigenen Füße und stürzte. Jemand packte sie und riss sie in die Höhe.
    »Was passiert hier?«, brüllte Meffridus in ihr Ohr.
    Sie konnte nicht antworten. Ihr Entsetzen darüber, was sie getan hatte, war so groß, dass ihre Gedanken ein einziger Strudel waren.
    »Wir müssen irgendwo hinauf!«, schrie Meffridus. Er hob sie hoch, als wäre sie ein Kind, und lief zurück. Sie klammerte sich an ihn. Er rannte auf die hohle Fassade der Kirche zu. Eine Sturmbö erfasste sie, die nichts anderes war als die Luft, die die herabdonnernde Flut vor sich herschob. Sie schrie. Dann hörte sie Meffridus etwas brüllen, doch die Panik ließ nicht zu, dass sie auch nur ein Wort verstand.
    Meffridus schlug sie ins Gesicht, ohne dass sie reagiert hätte. Dann küsste er sie. Ihr Schrei wurde erstickt, und für ein paar Momente kämpfte sich ihr Verstand durch die Panik hindurch.
    »Du musst hochklettern!«, röhrte Meffridus. Er stellte sie auf die Beine, packte sie um die Hüften und hob sie hoch. »Versuch, das Fenstersims zu greifen!«
    »Sie werden alle sterben!«, kreischte Constantia.
    » Wir werden nicht sterben!«, brüllte Meffridus. »Greif das Fenstersims!«
    Sie packte zu mit der Kraft der Todesangst. Er stemmte sie hoch. Sie zwang die Ellbogen auf das Sims der leeren Fensteröffnung und zog sich strampelnd nach oben. Voller Entsetzen sah sie nach unten. Um Meffridus Stiefel gischtete plötzlich Wasser. Er stieß sich mit ausgestreckten Armen ab. Seine Finger bekamen das Sims zu fassen und klammerten sich daran fest. Er blickte sie an. Sie sah in seine Augen. Der Erdboden unter ihm war auf einmal ein schwarzer, brausender Wildbach, in dem sich niemand würde auf den Beinen halten können.
    Ganz kühl sagte ein Gedanke in ihr: Du musst ihm nur auf die Finger treten .
    Sie richtete sich halb aus ihrer kauernden Stellung auf.
    »Lass mich!«, schrie Meffridus. »Ich schaff es allein!«
    Er strampelte mit den Beinen, seine Stiefelspitzen fanden Halt in Ritzen der aufeinandergeschichteten Steine, er stemmte sich nach oben. Sie wich zurück. Meffridus rollte sich keuchend auf das Sims. Er zwinkerte ihr zu und starrte dann auf das Chaos, in das sich die Baustelle verwandelt hatte. Sein Gesicht fror ein.
    »Verdammt!«, stieß er hervor. Er streckte die Hand nach ihr aus. »Halt dich fest!«
    Es war zu spät. Ein Baumstamm rollte auf den Fluten heran, hüpfend wie ein Derwisch, als habe er kein Gewicht. Sein eines Ende dröhnte gegen die Kirchenwand unweit des Fensters, auf das Constantia und Meffridus sich gerettet hatten. Die Mauer

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