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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ausradiert, gefallen, weggeschwemmt von der Oberfläche der Erde. Sie waren alle gescheitert. Sie, Elsbeth, war am meisten gescheitert.
    Rogers kämpfte sich zu ihr durch, und sie dachte: Nein, ich bin nicht gescheitert. Ich habe ihn wieder. Und egal, was alles zwischen uns stehen mag – ich weiß, dass er mich liebt.
    Ihre Blicke fanden die Adelheids, dann Reinhilds. Reinhild betete lautlos und mit gefalteten Händen, Adelheid versuchte grimmig, einem schreienden Kind zu helfen, das aus einem tiefen Riss in der Wange blutete. Hedwig hatte die Augen halb geschlossen und zitterte vor Kälte. Die anderen Schwestern hielten sich gegenseitig fest und weinten, beteten oder stierten ins Leere.
    »Hält das Mauerwerk das aus?«, brüllte Rogers. Er deutete auf das Treibgut, das sich vor dem Durchlass aufstaute.
    »Ich kann es mir nicht vorstellen!«, rief Wilbrand.
    »Ja!«, schrie Elsbeth. »Ja!« Ihre Stimme überschlug sich.
    Wilbrand schüttelte den Kopf.
    Rogers schob Wilbrand beiseite und schloss Elsbeth in die Arme. »Du glaubst, dass es hält?«
    »Ja!«
    »Es müsste ein Wunder geschehen!«, heulte Wilbrand.
    Rogers achtete nicht auf ihn. »Wenn du es glaubst, glaube ich es auch.«
    »Ich glaube es!«
    »Ich war nicht der Mann, der dich im Hildeboldsdom geküsst hat«, sagte Rogers. »Rudolf war das.«
    »Ich weiß!«
    »Ich habe dich belogen.«
    »Das spielt keine Rolle mehr.«
    Der Kreuzgang bebte. Die Menschen klammerten sich aneinander, zitternd, frierend und voller Todesangst. Wilbrands Augen waren wild, während er das Wasser anstarrte, das zum Durchlass hereinströmte. Ein Stück Treibholz riss sich los, wurde hereingeschwemmt und dröhnte gegen eine der Tragsäulen, sprengte ein Stück heraus und ließ sie schief zurück. Der Kreuzgang hallte wie eine Glocke. Der Rest des Treibguts blieb weiterhin verkeilt vor dem Durchlass stecken, schlug gegen die Wand, baute den Druck weiter und weiter auf. Das Wasser in der Mitte des Kreuzgangs kreiste langsam, die Oberfläche aufgewühlt.
    »Ich liebe dich«, sagte Rogers.
    Sie presste sich an ihn. Sie flüsterte: »Ich liebe dich auch.«
    Der Kreuzgang schüttelte sich wie ein todwundes Tier.
    34.
ALTES BENEDIKTINERKLOSTER, WIZINSTEN
     

     
    »Tretet beiseite, Mesire«, sagte Godefroy und schaffte es sogar noch, eine kleine Verbeugung anzudeuten, während die Holzfälleraxt über seinem Kopf schwebte. Dann schlug er zu – einmal, zweimal – der Ring, der Sariz’ Kette hielt, zerbarst. Bei Adaliz’ Fessel brauchte es nur einen Schlag. Godefroy ließ die Holzfälleraxt fallen und wischte sich über die wundgeschlagene Stirn.
    »Ich habe einen Eingang beim alten Wachturm gefunden; der Türsturz war halb heruntergebrochen, aber das habe ich zu spät gesehen«, stieß er hervor. »Die Axt lag auch dort – sehr zuvorkommend.« Er hielt die Laterne hoch. »Wir sollten sehen, dass wir hier rauskommen.«
    Ramons trug Sariz, Godefroy Adaliz; so kletterten sie die Leiter hinauf. Als sie halbwegs oben waren, lief ein Grollen durch den Boden, das die Leiter erzittern und sie beinahe abrutschen ließ.
    »Was war das?«, rief Ramons.
    Godefroy kletterte weiter, doch aus seinen Bewegungen war plötzlich jede Energie gewichen. »Ich glaube, der Kreuzgang ist zusammengebrochen«, sagte er.

PORTA COELI
    CHRISTFEST 1252
     
    »Gott hab sie beide selig.«
    Ella Kalp

1.
WIZINSTEN
     

     
    An einem klaren, kalten Tag zwischen dem Christtag und Heilig Drei Könige kam Ella Kalp – mit Ursi – ins Haus von Bürgermeister Boneß, in dem Ramons, Sariz und Adaliz untergekommen waren, und händigte ihm scheu eine Metallkassette aus.
    »Was ist das?«, fragte Ramons.
    »Ursi hat es gefunden«, sagte Ella und knickste. Ihre Augen wurden feucht. »In Constantias Schlafkammer. Ich glaube, Herr Meffridus hat es dort versteckt als Hochzeitsgeschenk für Constantia.« Ella schluchzte auf. »Gott hab sie selig. Gott hab sie beide selig. Manche glauben ja, sie sind geflohen, aber ich bin überzeugt, dass Constantia versucht hat, das Unglück zu verhindern, und dass Herr Meffridus sie retten wollte.«
    »Warum kommst du damit zu mir?«
    »Ich war zuerst bei den heiligen Schwestern. Sie haben mich zu Euch geschickt, Herr.«
    Ramons zuckte mit den Schultern und drehte das Kästchen unschlüssig in den Händen. Dann blinzelte er, denn auf der Unterseite war ein Wappen eingeritzt. Es war ein Adler mit zwei Köpfen, die nach links und rechts blickten.
    Es war der staufische Doppeladler –

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