Die Pforten der Ewigkeit
dem Kreuzgang näherte, und das panische Wiehern der Pferde im Kirchenbau, die durchgingen oder deren Wächter zusammen mit ihnen flohen. Etwas polterte ohrenbetäubend, als ob ein Teil der Kirchenwand in sich zusammengefallen wäre. Der Boden begann zu bocken. Die Menschen im Kreuzgang brüllten und kreischten vor neuerwachter Panik. Ein Mann sprang auf und hastete auf den Durchgang zu, da kam das Wasser in einem dicken Strahl durch das Portal geschossen, holte ihn von den Füßen, spülte ihn weg und schleuderte ihn gegen eine der Tragsäulen des Kreuzgangdachs. Die Flügel des Kreuzgangs begannen zu ächzen und zu zittern.
Rogers hatte den Gedanken gleichzeitig mit Elsbeth.
»Alle in den Nordflügel!«, schrie sie, während Rogers schon damit begann, die ersten schreckerstarrten Geiseln zu packen und über die hüfthohe Brüstung zu schubsen.
»Warum den Nordflügel?«, brüllte Walter, der eine strampelnde Nonne um die Hüfte hielt und über die Brüstung wuchtete.
»Weil er von der anderen Seite durch die Südwand der Kirche gestützt wird«, rief Elsbeth. »Wenn etwas hält, dann er!«
Everwin Boneß lag bereits auf dem Bauch im Kreuzgangflügel und jaulte vor Angst. Wilbrand schüttelte sich und rannte dann ins Innere des Kreuzgangs hinaus. Die Menschen drängelten und schubsten und kreischten, und wenn überhaupt, war die Panik noch größer als vorhin. Elsbeth dachte an Graf Rudolf, der unter seinem Pferd eingeklemmt war, doch dann erblickte sie eine Mutter mit zwei weinenden Kindern und vergaß ihn wieder, während sie die drei vor sich herstieß.
Wenn etwas hält, dann der Nordflügel!
Was war hinter dieser Aussage anderes als die blanke Hoffnung?
Das Wasser toste in einem schäumenden, schwarzen Strahl durch den Durchlass, aufgestrudelt und beschleunigt durch die Enge der Öffnung. Der Strahl war so tief wie die halbe Höhe des Portals. Dumpfe Schläge ertönten, als sich Treibgut davor verfing und verkeilte, Schläge, die man in den Fußsohlen ebenso vibrieren fühlte wie in den Eingeweiden. Von einem Teil des Pultdachs rutschten Ziegel herunter. Das Wasser sprühte über das Hindernis hinweg, keinesfalls schwächer geworden, sondern eher noch wütender – jetzt kam es auf der ganzen Höhe des Portals hereingedonnert. Der Garten des Kreuzgangs war innerhalb weniger Herzschläge ein flacher, dann ein knietiefer See, in dem das Wasser tobte und strudelte. Elsbeth sah Menschen, denen die Füße weggezogen wurden und die ins Wasser fielen, die sich die wenigen Schritte zum Nordflügel erkämpfen mussten wie durch eine tobende Flut; sie sah die beiden überlebenden Soldaten, die versuchten, durch den südwestlichen Ausgang des Kreuzgangs zu entkommen, stolperten, in das vor dem Ausgang aufgestaute Wasser fielen und im Sog verschwanden. Sie sah Wilbrand, der wie ein Irrer im Wasser herumplatschte und weniger die Menschen rettete, als sich vielmehr die Haare raufte, bis auch er auf einmal veschwunden war. Elsbeth schrie auf. Dann war Rogers an der Stelle, wo der Baumeister gefallen war, und holte den triefend nassen Architekten wieder an die Oberfläche, trieb ihn mit einem Fußtritt zum Nordflügel und zerrte zugleich zwei weitere Gestalten hinter sich her.
Der Kreuzgang erzitterte unter dem Aufprall von Trümmerstücken: Treibholz, Balken, Werkzeug, Werkbänke. Wer sich in den Nordflügel hatte retten können, drängte sich wimmernd und schlotternd dort zusammen, bis zu den Hüften im Wasser. Jeder Schlag, der die Mauern erzittern ließ, brachte die Menschen zum Aufschreien. Dann prasselte etwas auf das Dach, fiel in das tosende Wasserbecken, in das sich der Kreuzgang verwandelt hatte.
»Das Gerüst!«, keuchte Wilbrand. »Heiliger Petrus, das Gerüst …! Das Wasser schiebt das Gerüst über die Mauer!«
Elsbeth konnte ihn kaum verstehen, obwohl er dicht neben ihr stand. Das Röhren des Wassers war ohrenbetäubend. Die mit Seilen zusammengehaltenen Bretter polterten über das Dach. Das gesamte Mauerwerk des Kreuzgangs stöhnte und ächzte. Sie presste eine Hand an die Wand und spürte, wie sie erbebte, wie sie unter dem Anprall des Wassers zusammenzuckte und vibrierte. Seltsamerweise verspürte sie keine Furcht. Sie fühlte nur Bedauern, dass all die Arbeit der Handwerker, all das Engagement ihrer Glaubensschwestern, dass Daniel bin Daniels großzügiger Kredit und all das Leid, das sich mit dem Bau von Porta Coeli verband, nun völlig vergeblich gewesen war. Porta Coeli war bereits jetzt tot,
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