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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Meffridus sie mit einem leisen Kopfschütteln ihrer Wege schickte, waren ihre Gesichter grau vor Enttäuschung. Doch wenn er, was immer sie ihm zu sagen hatten, mit einem Nicken bestätigte …
    … dann waren ihre Stirnen mit Schweißperlen übersät, und in ihren Augen flackerte das nackte Entsetzen darüber, was sie getan hatten – als hätten sie um etwas gebeten, womit sie ihr Heim verteidigen könnten, und Meffridus habe ihnen eine Giftschlange in die Hände gedrückt.
    Rudeger lachte und trank mit rotem Gesicht und beugte sich immer wieder zu Constantia herüber, um sie zu küssen. Sie ließ es mit wachsender Ungeduld geschehen. Sie hatte das Gefühl, dass Rudeger zu laut lachte und zu viel und dass es nicht am Trinken lag, denn Rudeger nahm ihren gemeinsamen Becher zwar häufig in die Hand, aber meistens nippte er nur daran und goss dann wieder aus dem Krug nach, so dass es für einen oberflächlichen Beobachter so aussah, als schenke er sich ständig neuen Wein ein. Ab und zu ruhten seine Blicke auf Meffridus; besonders, wenn der Notar gerade beschäftigt war. Je länger sie ihren Mann betrachtete, desto mehr bildete sich Constantia ein, dass auch in seinen Zügen die Mischung aus Erleichterung und Reue erkennbar war, die Meffridus’ Bittsteller kennzeichnete. Was hatte Rudeger getan? Der Gedanke gab ihr einen Stich. Sollte man an seinem Hochzeitstag über solche Dinge grübeln?
    Das kommt davon, weil du bei der Beichte gelogen hast , murmelte die Stimme in ihrem Herzen. Die Stimme sagte die Wahrheit. Als der Pfarrer sie nach den kleinen Sünden, die sie ihm gestanden hatte, gefragt hatte, ob dies alles sei, hatte sie »Ja« gesagt und gelächelt. Er hatte ihr aus der Hand gefressen und nicht bemerkt, wie beklommen sie tatsächlich aus der Kirche geschlichen war.
    Wie immer bei Hochzeiten hatten sich viel mehr Gäste eingefunden, als ursprünglich eingeladen gewesen waren. Diejenigen, die nicht genügend Kaltschnäuzigkeit besessen hatten, sich einfach dazuzusetzen, kamen wie zufällig immer wieder herbeispaziert: die Kinder der Armen und Pfahlbürger, die Müllers-, Fuhr- und Rossknechte, die Tagelöhner.
    Auf dem kleinen Platz beim Rathausturm hatten die Dienstboten des Hauses Wilt Tischplatten, Böcke und Bänke zu einem Halbkreis zusammengestellt, der zum Tordurchgang unter dem Rathaus hin offen war und der Klostergasse den Rücken zuwandte. Die Klostergasse war die Hauptstraße Wizinstens und schwang sich in einer Kurve vom Rathausturm, der vor der Stadterweiterung der Torturm des alten Mühltors gewesen war, bis zum ehemaligen Benediktinerkloster am nordwestlichen Ende der Stadt. Eigentlich hätten die Tische vor der Kirche aufgebaut werden sollen, doch der Boden fiel dort zu steil zu den Fischteichen bei der Holzbrücke und dem Virteburher Tor hin ab. Die Märzsonne war schwach, und das Feuer, über dem der Koch von Johannes Wilt das Essen zubereitete, gab mehr Rauch und Funken ab, als dass es Wärme in Constantias Richtung geschickt hätte. Sie und Rudeger saßen im Zenit des Halbkreises, dem Feuer am nächsten, und doch war es Constantia so kalt wie selten. Wieso war die Hochzeit so eilig gewesen – noch vor Ostern? Rudeger hatte etwas gemurmelt von wegen »während der Fastenzeit würden keine Ehen geschlossen«, aber das wusste Constantia selbst, und außerdem hätte sie gut bis nach der Fastenzeit warten können. Dann wären auch die Gäste im Tanz um das Feuer gewirbelt, anstatt die Hände in seine Richtung auszustrecken und sich in den Mänteln zusammenzukauern, und der Musikant hätte vielleicht etwas mehr gespielt, anstatt die meiste Zeit seinen Becher mit gewärmtem Würzwein zu umklammern und die Füße in den löcherigen Schuhen so nahe ans Feuer zu halten wie möglich.
    Je länger Constantia darüber nachdachte, desto mehr kam sie zur Gewissheit, dass dies die schlimmste Hochzeit seit Bestehen Wizinstens sein musste. Gott strafte sie. Unwillkürlich suchten ihre Blicke Halt an ihrer Mutter, die ein paar Plätze weiter saß, doch dann sah sie Gudas verkniffenes Gesicht und hörte wieder ihre Worte: »Die Mönche haben das Glück mit fortgenommen.« Zum ersten Mal wünschte sie sich, die Klosterbrüder seien zugegen – so wie sie früher bei jedem Fest zugegen gewesen waren, und in voller Mannschaftsstärke. Die Mönche hatten gestunken, gefressen, gesoffen und anzügliche Scherze gemacht, und Constantia hatte sie immer verabscheut. Heute jedoch hätte ihre Gegenwart den Eindruck

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