Die Pforten der Ewigkeit
erweckt, dass wenigstens etwas so war, wie es sich gehörte. Und womöglich … womöglich hätte es Gott gnädig gestimmt, wenn Constantia die Benediktiner mit ausgesuchtester Höflichkeit bewirtet hätte. Sie wäre sogar bereit gewesen, über die dämlichen Witze des Priors zu lachen. Sie seufzte erneut und ballte die klammen Finger zu Fäusten.
Eine Bewegung direkt außerhalb des frierenden Kreises der Feiernden weckte ihre Aufmerksamkeit. Ein Paar stand dort, starrte in Richtung des Feuers. Sie waren abgerissen gekleidet. Auf den ersten Blick kamen sie Constantia nicht bekannt vor, obwohl die Stadt klein genug war, um jede Seele darin zu kennen. Sie winkte eine Dienstmagd heran.
»Siehst du die beiden dort?«, fragte sie. »Geh zu ihnen und bitte sie, am Feuer Platz zu nehmen. Sie sollen zu essen und zu trinken bekommen.«
Die Dienstmagd sah von Constantia zu dem Paar und dann zurück zu ihr. »Die beiden?«, fragte sie gedehnt. »Aber die sind doch …«
»… arm und bedürfen der Almosen«, erwiderte Constantia mit einiger Schärfe. »Geh und bitte sie zum Feuer. Die Armen sind der Weg der Reichen in den Himmel.«
… und der Weg der Sünder zur Vergebung , vollendete sie in Gedanken. Herr, ich speise diese armen Teufel von meiner Hochzeitstafel, und dafür siehst Du gnädig auf meine Verfehlungen … Einen Augenblick wurde ihr leichter ums Herz, als die Dienstmagd zu dem Paar trat – und noch kälter als vorher, als sie beobachtete, wie das Mädchen die beiden mehrfach ansprechen musste, bis sie reagierten. Der Mann wandte den Kopf und blickte die Magd wortlos an. Der Anblick seines Gesichts raubte Constantia den Atem; so hatte sie sich die Mienen der Sünder in der Hölle vorgestellt, die wussten, dass alle Hoffnung vergebens war und dass sie selbst die Schuld daran trugen. Der Mann schüttelte langsam und wie im Traum den Kopf. Constantia folgte dem Blick seiner Begleiterin. Sie griff sich an den Hals, als sie verstand, wohin die beiden die ganze Zeit gestarrt hatten: zu dem Platz, an dem Meffridus Chastelose saß.
Rudeger beugte sich herüber und hielt Constantia den Becher vor die Nase. »Trink, meine Schönste!«, rief er. »Aber nicht zu viel, dass das Feuer in deinem Schoß nicht verlöscht. Wir brauchen es noch für die Brautnacht. Hahahaha!«
Constantia erkannte, dass die Blicke von Rudegers Geschäftspartnern und Freunden in der Stadt auf ihnen ruhten. Ihr wurde klar, dass Rudeger ihretwegen Theater spielte. Sie öffnete den Mund und wollte etwas sagen, aber nichts fiel ihr ein. Rudeger presste seine Lippen auf die ihren und gab ihr einen heftigen Kuss, der ihre Lippen gegen die Zähne quetschte. Sein Atem schmeckte sauer. Er löste sich von ihr. »Ein Hoch auf meine Frau, den großzügigsten aller Schwiegerväter und die schönste aller Schwiegermütter! Passt auf Euer Weib auf, Gevatter, damit ich sie nicht aus Versehen mit Eurer Tochter verwechsle!«
Er brüllte vor falschem Lachen. Die Hochzeitsgesellschaft lachte mit, weil man lachte, wenn der Bräutigam einen Scherz machte, auch wenn er schwach und eigentlich eine unfreiwillige Beleidigung für die Braut, ihre Mutter und ihren Vater zugleich war. Constantia rückte den Buchskranz auf ihrem Haar zurecht. Als sie merkte, dass Meffridus sie von weitem musterte, senkte sie den Blick.
Die Dienstmagd kam zurück und zuckte mit den Schultern. Constantia wollte ihr befehlen, das Paar am Rand der Feierlichkeit nochmals aufzusuchen, aber das Mädchen folgte dem Ruf, einen Weinkrug nachzuschenken. Sie wusste, was sie hätte tun sollen: selbst aufstehen und die Bedürftigen an ihre Tafel bitten. Aber die Aura von Schwärze und Hoffnungslosigkeit, die die beiden umgab, lähmte sie. Sie sah, wie sie sich zögernd in Bewegung setzten und ein paar Schritte herbeischlurften. Meffridus’ Blicke streiften sie. Sie blieben wie angewurzelt stehen. Seine Blicke wanderten weiter, als hätte er sie nicht gesehen. Der Frau begannen Tränen über die Wangen zu laufen.
Heilige Mutter Gottes, wer waren die beiden? Fast war es ihr, als könnte nur sie allein sie dort stehen sehen. Waren sie … Geister? Sie erinnerte sich an eine Geschichte, die sie einmal gehört hatte: Ein Ritter hatte eine Verfehlung begangen … sie hatte nicht verstanden, was es gewesen war – er hätte eine Frage stellen sollen, hatte es aber nicht getan … jedenfalls, als der Ritter zu einer Feier gestoßen war, wo man ihn hochleben ließ und einen Helden nannte, stand
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