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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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draufgegangen, ihn zu überzeugen, dass man einen Plan auch anfertigen konnte, bevor man all die Gegebenheiten vor Ort kannte, weil es einem sonst den Mut nahm, dem Ideal zu folgen, das einem vorschwebte. Es stimmte tatsächlich, was Elsbeth soeben gesagt hatte: Wilbrands Fantasie war die eines Architekten, der aus vorhandenen Dingen seine Kreativität schöpfte, und nicht die eines Künstlers, der der Meinung war, die gesamte Schöpfung sei nur dazu da, um ihm zur Verfügung zu stehen.
    Wilbrand seufzte und hob den angespitzten Kohlestift. »Na los, ich bin so weit.«
    Elsbeth sah in den Garten des Kreuzgangs hinaus, der wie alles in Sankt Maria eng und dem Geist, dem er entsprach, nicht angemessen war. Sie stellte sich vor, wie ein Mann neben ihr stand und ebenfalls hinausspähte, ein Mann mit halblangem dunklem Haar, schmalem Gesicht und einem weiten Mantel über der Tunika. In ihrer Vorstellung verzog sich das steinerne, männlich-schöne Gesicht zu dem Lächeln, das sich in seinen Mundwinkeln bereits andeutete.
    Sieh her – das habe ich mir vorgenommen , dachte sie.
    Du wirst es schaffen , hörte sie ihn antworten.
    Nicht ich allein , dachte sie. So viele Hände werden mir helfen müssen. Ich wollte, deine wären dabei.
    Glaub an mich, dann werde ich kommen , erwiderte er.
    »Weißt du, was der Geist eines Zisterzienserklosters ist?«, fragte sie Wilbrand, ohne sich umzudrehen, weil sie die Vorstellung erhalten wollte, dass sie mit ihm sprach.
    »Dass es am hässlichsten Ort der Welt steht? Meint Ihr das nicht mit locus horroris ?«
    »›Kloster‹ kommt von clausura «, sagte Elsbeth. »Das beschreibt eine in sich geschlossene Anlage, die dem Beten und Arbeiten ausschließlich in der Gemeinschaft der Glaubensbrüder und -schwestern vorbehalten ist. Eine Mauer hält die Außenwelt ab und zeigt, wo das weltliche Recht endet und das Recht des Ordens beginnt. Sie umfasst die Klausur.«
    »Soll ich anfangen, eine Mauer zu zeichnen?«
    »Du sollst anfangen, mir zuzuhören, Meister Wilbrand.«
    »Ich bin ganz Ohr, Schwester Elsbeth.«
    »Zisterzienserklöster«, sagte Elsbeth, »haben zwei Mauern: einen inneren Ring für die Glaubensgemeinschaft, einen äußeren Ring, um den Kontakt mit der Welt aufrechterhalten zu können. Wir glauben nicht an die strikte Trennung zwischen Geist und Körper, sondern an den Übergang. Der innere Ring für die Mönche und Nonnen, der äußere für die Konversen, für die Menschen, die im Schutz des Klosters stehen und für es arbeiten, für die Laiendiener und für all diejenigen, die am Frieden des Klosters teilhaben möchten.«
    »Gut – zwei Mauern«, murmelte Wilbrand. »Wie weit voneinander entfernt? Wie eine Doppelmauer in einem Festungsbau? Dreißig, vierzig Schritte, um einen Feind, der über die äußere Mauer geklettert ist und nun vor der inneren steht, in der Falle zu haben?«
    »Wir denken hier nicht in Begriffen des Krieges«, erklärte Elsbeth sanft.
    »Ach was!«
    »Lass deine Gedanken von innen nach außen wandern. Was steht im Zentrum der menschlichen Existenz?«
    »Ich würde sagen: das Herz, aber das …«
    »Ich rede nicht vom Körper, ich rede vom Menschsein an sich.«
    »Hätte mich auch gewundert … und abgesehen davon ist das Herz auch nicht in der Mitte, sondern …«
    »Meister Wilbrand, ich habe selten einen Baumeister gesehen, der so viel redete und so wenig über sein Werk nachsann.«
    »Ich bin kein Baumeister, ich bin Künstler!«
    »Ich habe selten einen Künstler gesehen, der so viel redete und so wenig …«
    »Schon gut, schon gut! Das Zentrum der menschlichen Existenz … hm … der Glaube an Gott, natürlich.«
    »Was ist es, was Gott den Menschen gegeben hat, damit sie glauben können?«
    »Die Seele?«
    Elsbeth blickte über die Schulter und lächelte. »Es besteht Hoffnung für dich, Meister Wilbrand.«
    »Jedenfalls mehr als für dieses Machwerk hier«, grummelte Wilbrand und knetete an einem Streifen Harz herum, der an der Klebestelle zweier Blätter ausgetreten war. Schon zogen sich die ersten zähen Fäden von seinen Fingern zu dem Pergament auf dem Boden. Wilbrand wischte sich die Finger an seiner Tunika ab. Nun spannten sich Harzfäden zwischen dem Blatt, den Fingern des Künstlers und seinem Gewand, und es bestand gute Aussicht, dass es noch mehr würden, als Wilbrand sich zur Seite lehnte und sich missvergnügt am Hintern kratzte.
    »Was ist die Seele eines Klosters?«
    »Hmmm … die Kirche …? Nein, nein … es ist der

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