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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gebückt schleppenden Klosterknechten mit Wasser gefüllt wurde, einen unzufriedenen Blick zu.
    Wilbrand stand auf und trat neben Elsbeth. Er betrachtete den Klostergarten. Dann lächelte er plötzlich.
    »Ihr habt gesagt, der Ort, an dem das Kloster entstehen soll, war früher Gerichtsort? Dann steht dort bestimmt irgendwo außerhalb der Stadtmauern eine alte Linde. Schwester Elsbeth – gerade habt Ihr von Zentren und schlagenden Herzen und den Seelen von Orten gesprochen! Wenn es diese Linde gibt, war der Ort, an dem sie steht, einmal die Seele von Wizinsten! Der Gerichtsbaum. Die Dorflinde. Wie auch immer Wizinsten begonnen hat – der Anfang der Stadt war dort. Das ist der Ort, an dem Euer Kreuzgang errichtet werden muss!«
    »Gilt die Linde nicht als heidnischer Baum?«, fragte Elsbeth und versuchte, sich daran zu erinnern, was sie von den Schwestern in Papinberc gehört hatte, die sich um den Garten und die Felder gekümmert hatten, welche zu Sankt Maria und Theodor gehörten. »Weil …«
    »… weil die Heiden sie ihrer Göttin Freya gewidmet hatten – dem Symbol von Liebe, Ehe und Mutterschaft.«
    Elsbeth blinzelte. Wilbrands Worte sprachen sie mehr an, als sie gedacht hatte. Das Bild, das er ihr mit seiner Schilderung zu zeichnen versuchte, begann vor ihren Augen zu entstehen und zu strahlen. Das Symbol von Liebe, von ewiger Verbindung, vom Fortbestand der Liebe in Form der Kinder … konnte es ein besseres Symbol geben für ein Kloster? Noch dazu eines, das von Frauen geführt wurde?
    »Die Linde gilt aber auch als heilig, weil sie hervorragendes Schnitzholz abgibt und viele Heiligenfiguren daraus hergestellt werden. Ich habe mich selbst darin versucht.« Wilbrand räusperte sich und sprach nicht weiter, ein sicheres Zeichen, dass auch seine Fähigkeiten als Heiligenschnitzer begrenzt waren.
    »Wenn wir den Kreuzgang so anlegen, dass die Linde in seinem Zentrum steht …«, murmelte Elsbeth.
    »Ich werde es in meinem Plan berücksichtigen.«
    »Wenn du ihn fertig hast, gib ihn Äbtissin Lucardis.«
    »Warum nicht Euch?«
    »Weil ich in ein paar Tagen nach Wizinsten aufbrechen werde, um das alte Kloster dort in Besitz zu nehmen. Wir werden sicher ein paar Ausbesserungsarbeiten vornehmen müssen, und der Garten muss wahrscheinlich gejätet werden. Bevor der Sommer beginnt, werde ich zurückkehren. Kannst du bis dahin fertig sein?«
    »Habe ich eine andere Wahl?«
    »Nein«, sagte Elsbeth fröhlich. »Gott sei mit dir, Meister Wilbrand.«
    17.
WIZINSTEN
     

     
    Elsbeth war erstaunt, wie schnell die Landschaft in Wildnis überging, kaum dass man Papinberc hinter sich gelassen hatte.
    Zwei Tagesreisen führten sie und ihre Schützlinge über Hügel, die sich aneinanderkauerten wie schlafende Riesen, bestanden von Mischwäldern aus Eichen, Buchen und der gelegentlichen Kiefer, die über den noch winterlich kahlen Laubwald hinausragte wie das zerzauste Banner einer lange von der Zeit geschleiften Burg. Die Täler dazwischen waren tief und schroff. Die Straße führte durch die Täler und über die Höhen, immer unter den Bäumen hindurch und anscheinend entschlossen, stets den steilsten Aufstieg und den schroffsten Abstieg zu finden. Die bewirtschafteten Felder und die verstreuten Weiler in den Taleinschnitten waren weniger ein Beispiel menschlichen Strebens, dem Wald Ackerboden abzuringen, als vielmehr Beweise eines andauernden Kampfes, den die Bauern nur deshalb nicht verloren, weil sie genauso zäh waren wie die Bäume, die ihren Horizont verstellten.
    Wizinsten sahen sie das erste Mal, als die Straße endlich aus dem Wald hervorkam. Ein kleiner Bach hatte die Straße auf der letzten Strecke begleitet, als sie nur noch bergab geführt hatte, und ergoss sich unten im Tal in ein kaum größeres Gewässer. Dieses wand sich in flachen Kurven durch den Talboden fast genau nach Westen, durchschnitt dampfende Äcker und flachgedrückte Wiesen und umspielte eine weitere Straße, die es dort, wo die Felder aufhörten und der Wald von Neuem begann, mit einer Furt durchquerte und dann in nordwestlicher Richtung unter den Bäumen verschwand. Später würde Elsbeth erfahren, dass der Fluss Swartza hieß.
    Der Ort lag an der Südwestflanke des Hügels, über den auch die Straße von Papinberc her nach unten führte. Er bildete ein Oval mit einem unvollständigen Mauerring. Nach Norden und Süden wiesen gemauerte Viertelkreise, im Süden von einem Tor mit wuchtigen Flankentürmen durchbrochen. Den Westen

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