Die Pforten der Ewigkeit
dadurch demonstriert werden können – beim mandatum , der Fußwaschung der Armen am Gründonnerstag, bei der Lichtmessprozession … Es soll Sitzbänke geben für die collatio , die gemeinschaftliche Abendlesung der Nonnen und für die persönliche Lektüre zwischen der Messe und der Mittagsstunde …«
»Man könnte den Kreuzgang zweischiffig anlegen«, sagte Wilbrand. »Die Sitzbänke entlang den Wänden, so dass man noch vorbeigehen kann, selbst wenn sie besetzt sind. Für die Fußwaschung könnte man einen Ausguss einbauen, in den Wasser aus dem Brunnen geschöpft wird. Wenn man das Becken in dem Flügel unterbringt, der der Kirche am nächsten ist, brauchen die Gäste nicht durch den gesamten Kreuzgang zu gehen, so dass dessen Unberührtheit so weit wie möglich gewahrt bleibt. Wie wollt Ihr die Kapitelle der Säulen ausarbeiten?«
»Mit Szenen aus dem Leben der Muttergottes …«
»… und des heiligen Theodor, nehme ich an.«
Elsbeth dachte nach. Unvermittelt hörte sie ihre Schwester Lucardis sich laut fragen, wie es ein ausgewiesener Brandstifter wohl zum Heiligen gebracht hatte. Sie ermaß die Pflanzen im Garten, an denen die Knospen aufgebrochen waren, und die zarten, weißgeköpften Lanzetten der Maiglöckchen.
»Nein«, sagte sie. »Der heilige Theodor ist gut dort, wo er ist, nämlich in Papinberc. Ich möchte statt seiner florale Motive – Blätter, Ranken, Äste, Laub, die Wurzeln von Bäumen und die Formen von Blüten.«
»Irgendwelche besonderen Pflanzen?«
»Wandere einfach ein oder zwei Tage durch einen Garten«, sagte Elsbeth. »Alles, was du dort an Formen findest, möchte ich an den Kapitellen des Kreuzgangs wiedersehen.«
Seine Lider zuckten, als ihm klar wurde, dass sie ihm künstlerische Freiheit bot. Mit einem Mal hellte seine Miene sich auf. Er betrachtete die Zeichnung vor sich mit schiefgelegtem Kopf. »Ich wüsste einen guten Platz«, sagte er.
»Wofür?«
»Für den Reiter.«
Einen Augenblick lang dachte sie, er habe vorhin ihre Gedanken belauscht, und gab seinen Blick betroffen zurück.
»Ihr habt es doch nicht vergessen?«, fragte er vorwurfsvoll.
»Was vergessen?«
»Ihr habt mir versprochen, dass Ihr ein Kunstwerk bei mir in Auftrag geben würdet, für welches das Kloster den Rahmen abgeben würde.«
»Das Letztere, lieber Meister Wilbrand, hast du so interpretiert. Aber es stimmt – du wirst ein Kunstwerk für Porta Coeli schaffen.«
»Einen Moment dachte ich schon …«
»Ich habe aber niemals gesagt, dass es ein Reiter sein würde.«
»Was sonst außer einem Reiter?«
»Wilbrand, es gibt tausend Alternativen zu einem Reiter!«
Er schmollte wieder. »Nicht für mich.«
»Ich würde mir einen … Brunnen wünschen. Für den Kreuzgang. Einen Brunnen, in dem der Kreislauf von Werden und Vergehen, von der Schaffenskraft des Wassers und zugleich von seiner zerstörerischen Macht erzählt wird und davon, dass das Wasser der Lebensquell ist. Ein Brunnen wie die großen heidnischen Brunnen in Rom, nur dass damit nicht irgendein Götze, sondern die Schöpfung von Gott dem Herrn gepriesen wird.«
»Mit einem Reiter an der Spitze.«
Sie beschloss, ausnahmsweise keine Bemerkung über einen Menschen zu machen, der mit engeren Scheuklappen durchs Leben stolperte als ein Maulesel in einer Mühle. »Die Klosterkirche steht im Norden, angeschlossen an den Kollationsflügel des Kreuzgangs. Das Sanktuarium mit dem Hochaltar muss nach Osten ausgerichtet sein, mit der Totenpforte im Norden, und nach Westen hin der Nonnenchor, dann der Lettner, der Kreuzaltar, der Chor der Laien und schließlich das Westportal. Der südliche Flügel des Kreuzgangs …«
»… beherbergt die Sitzreihen für das mandatum «, brummte Wilbrand.
»Genau wie in Sankt Maria und Theodor.« Elsbeth nickte. »Daran schließen wir das calefactorium für die kalte Jahreszeit an, das refectorium und die Küchenräume. Im Osten den Kapitelsaal, das auditorium , das scriptorium, das dormitorium und die Latrinen. Im Westen befindet sich der Trakt für Laien: eine zweite Latrine, ein zweiter Schlafsaal, den wir später als Hospiz nützen können, der Speisesaal für die Laienbrüder … Dort planen wir auch die Vorratsräume.«
»Wir müssen einen Kanal für das Brauchwasser graben, das unter den Latrinen hindurchfließt.«
»Und einen zweiten für das Frischwasser, das den Brunnen im Garten speist.« Elsbeth warf unwillkürlich dem Wasserbecken des hiesigen Kreuzgangs, das ständig von
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