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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wir jetzt vor einer Ruine. Eroberte Burgen werden in aller Regel geschleift – oder wenn nicht, dann bleibt eine Besatzung zurück. Alles, was sich hier regt, sind die Hühner. Wollen wir glauben, dass Hedwigs Familie eine Fehde gegen die Hühner verloren hat?«
    »Aber was tun wir jetzt?«
    Elsbeth zuckte ein drittes Mal mit den Schultern.
    »Oh, Elsbeth – was geschieht denn nun mit Wizinsten? Mit dem Kloster? Wo sollen wir jetzt das Geld hernehmen, um es aufzubauen? Alle unsere Pläne sind gescheitert!«
    »Suchen wir uns irgendwo einen Platz zum Schlafen«, seufzte Elsbeth. »Morgen treten wir die Rückreise an.«
    »Willst du es Hedwig sagen?«
    »Was soll ich tun? Es ihr verschweigen?«
    »Oh, Elsbeth!«
    Elsbeth starrte zu dem verkohlten Haufen des Johannisfeuers hinüber. Sie kam noch immer nicht darauf, was an ihm nicht stimmte. Die Sonne versank hinter dem nächsten Hügelkamm und hinterließ Dämmerung. Die Raben flatterten auf. Die Grillen verstummten.
    »Ich hoffe, es gibt eine Hütte, die die Hühner noch nicht eingenommen haben«, sagte Elsbeth leise und schlüpfte durch das Tor zurück in die Vorburg.
    Die Rückreise am nächsten Tag verlief in Anspannung und Schweigsamkeit und war geprägt von ständigem Über-die-Schulter-Schauen, als ob Elsbeth und Reinhild jemand folgen würde. Die Hohlwege wirkten noch beklemmender als gestern, das Leben in den Pfützen war ein ekliges Gewimmel, und die Bäume waren nun nicht mehr nur hoch, sondern schienen das Licht auszuschließen. Als sie die Wegkreuzung erreichten, an der sie sich am Morgen des Vortags von den Benediktinern getrennt hatten, waren sie erleichtert, obwohl sich der Anblick des Waldes zunächst nicht änderte. Irgendwie reichte es schon zu wissen, dass sie nicht mehr auf einer Straße unterwegs waren, die geradewegs zu der verlassenen, einsamen Burg mit ihren verwilderten Feldern führte. Es waren noch nicht einmal die üblichen Plünderer dort gewesen, und auch die Bauern der Umgebung hatten sich nicht an den Ort gewagt – oder die Hühner wären nicht mehr dort gewesen. Etwas musste ihnen solche Angst eingejagt haben, dass die den Platz mieden. Nicht etwas, jemand , korrigierte Elsbeth sich. Sie wusste nicht, was von beidem sie beunruhigender fand.
    Auf der Herreise hatten sie in einem Dorf in der Nähe genächtigt, das sich auf wandernde Mönche und Fernkaufleute eingestellt hatte und neben anderen Bequemlichkeiten sogar einen Badezuber bot. Der Zuber befand sich im Haus des Dorfvorstehers, dessen geistig etwas angeknackster alter Vater die längste Zeit in dem fraglichen Zuber verbrachte, egal ob Wasser darin war oder nicht, und der einen mit wüsten Beschimpfungen belegte, wenn man ihn heraushob. Nicht, dass die Benediktiner dem Konzept körperlicher Reinlichkeit etwas hätten abgewinnen können oder dass Elsbeth und Reinhild, die sich durchaus danach sehnten, sich den Reisestaub abzuwaschen, das Verlangen gehabt hätten, den Zuber zu benutzen. Die Wände des Schuppens, in dem er stand, besaßen zu viele Astlöcher und des Dorfvorstehers alter Herr war noch gut genug auf den Beinen und bei Augenlicht, um sie alle zu nutzen.
    Auch jetzt war eine Reisegesellschaft in den Weiler eingefallen. Sie war nicht groß – ein Dutzend Männer vielleicht, von denen der größte Teil Knechte und Träger waren. Die Tiere waren Esel und Maulesel, die Karren schlicht und die Reisenden ruhiger und gesitteter als bei Fernkaufleuten üblich. Elsbeth und Reinhild näherten sich argwöhnisch. Die Reisenden, damit beschäftigt, entweder die Verpackung von Waren zu prüfen und zu reparieren oder mit der Wartung der Karren, beachteten sie nicht. Dann sprach sie jemand von hinten an, und es zeugte von Elsbeths Nervosität, dass sie einen kleinen Satz machte und Reinhild auf die Zehen trat.
    »Ah, so bald schon«, sagte eine angenehme Stimme. »Ihr überrascht uns, ehrwürdige Schwestern.«
    Elsbeth drehte sich um, aber ihr Herz hatte bereits zu hämmern aufgehört, als sie die Stimme erkannt hatte. Der Mann war groß und schlank mit einem markanten, lächelnden Gesicht und einem Schock silberweißer Haare. Er war dunkel und einfach gekleidet, doch an ihm wirkte es elegant. Er machte eine Verbeugung. Das Einzige, das an seiner Erscheinung störte, war ein dicker gelber Stoffring auf seinem dunklen Mantel. Der Mann folgte Elsbeths Blicken und lächelte noch breiter. Anders als bei den Männern seiner Religion üblich trug er keinen Bart.
    »Ich dachte mir, dass

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