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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Schulterblättern. Noch im Fallen fragte ich mich, warum der Angreifer mich niederschlug, anstatt mich zu erstechen, und ich konnte nur annehmen, daß es Eco irgendwie gelungen war, seinen Stoß abzulenken. Vielleicht hatte mich ein Ellenbogen getroffen oder der Knauf eines Schwertes.
    Meine Handflächen schürften über harten Fels. Als nächstes landete vermutlich meine Hüfte am Boden, zumindest nach den Prellungen zu urteilen, die ich später bemerkte. Ich kroch vorwärts auf den Rand des Abgrunds zu.
    Ein heftiger Tritt traf mich zwischen den Rippen und ließ mich halb über den Felsvorsprung taumeln. Da wußte ich, warum mein Angreifer mich nicht erstochen hatte, wie er es bei meiner Ahnungslosigkeit leicht hätte tun können: Warum sollte man die Spuren eines Mordes zurücklassen, wenn man jemanden auch über eine Klippe in den Tod stürzen konnte? Vielleicht spielte es auch keine Rolle, wie sie mich töteten; wenn sie vorhatten, sich meiner Leiche hinterher zu entledigen, indem sie sie in den feurigen See warfen, wo sie mit Haut und Knochen von Pluto verschlungen werden würde.
    Ich spürte Plutos heißen Atem in meinem Gesicht und schob mich rückwärts vom Abgrund weg. Jemand trat mir in den Hintern, doch ich wich nicht von der Stelle und wurde erneut getreten. Irgendwo hinter mir hörte ich ein Geräusch wie das Blöken eines Schafes auf der Schlachtbank - Eco rief um Hilfe.
    Ich rollte mich nach links, ohne zu wissen, ob der Felsvorsprung dort endete oder nicht, und machte mich innerlich auf einen freien Fall gefaßt. Stattdessen landete ich auf hartem Stein, kämpfte mich auf die Füße und fuhr herum, um mich dem Angreifer zu stellen. Metall blitzte im Mondschein, und ich duckte mich - gerade noch rechtzeitig; die Klinge sauste so dicht über mich hinweg, daß ich den Luftzug noch in den Haaren spürte. Ich packte den Arm des Angreifers und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Die ganze Zeit sah ich kein Gesicht oder auch nur einen Körper, sondern nur den Unterarm, den ich mit beiden Händen gepackt hielt und schmerzhaft verdrehte.
    Er keuchte und fluchte. Mit der anderen Hand versuchte er das Messer aus seiner bewegungsunfähigen Hand zu greifen. Ich stieß ihm mein Knie in den Unterleib. Seine Hände ruderten ob des plötzlichen Schmerzes blindlings durch die Luft, und ich spürte, wie er schwächer wurde. Doch nach wie vor sah ich keine Möglichkeit, ihm sein Messer zu entwinden oder mein eigenes zu ziehen. Ich bewegte mich rückwärts und zerrte ihn mit mir; als ich spürte, daß ich die Kante der Klippe erreicht hatte, fuhr ich mit aller Kraft herum, ihn mit mir reißend wie ein Akrobat, der seinen Partner durch die Luft wirbeln läßt.
    Ich hörte das Geräusch von über nackten Fels schürfenden Füßen, dann wurde sein Unterarm ruckartig aus meiner Umklammerung befreit, als ob eine unglaublich starke Kraft seine Füße gepackt hätte und ihn direkt nach unten ziehen würde. Ich hielt ihn einen Moment zu lange fest und fühlte, wie ich mit nach unten gerissen wurde. Die Klinge in seiner Hand ritzte im Fallen meine Hand. Ich schrie auf und taumelte einen endlosen, schwindelnden Augenblick lang über dem Abgrund. Ich breitete die Arme aus wie ein Gekreuzigter, um mein Gleichgewicht zu finden. Meine Knie wurden wachsweich.
    In diesem Moment hätte der kleinste Stubser genügt, mich in die Tiefe zu stürzen, das kleinste Zupfen an meinem Umhang, mich auf sicheren Boden zurückzuholen. Wo war Eco?
    Ich ruderte wild mit den Armen, bis ich schließlich nach hinten fiel und mit einem Grunzen auf meinem Hinterteil landete. Ich drehte mich um, stützte mich auf Hände und Knie und sprang auf. Mein Pferd stand ein wenig abseits, offenbar war es vor dem Abgrund zurückgeschreckt, doch Eco und sein Pferd waren nirgends zu sehen. Genauso wenig wie ein weiterer Angreifer.
    Der Nebel war dichter geworden, das Mondlicht diffus, alles war wie verhüllt. Ich starrte in die Dunkelheit und flüsterte: »Eco?« Dann wiederholte ich seinen Namen lauter, bis ich zuletzt brüllte: »Eco!« Doch es kam keine Antwort - weder jenes erbärmliche halbmenschliche Murmeln, das ich ihn auf dem Zimmer hatte ausstoßen hören, noch das erstickte, würgende Geräusch, mit dem er versucht hatte, mich zu warnen. Bis auf das Rauschen des Windes in den Baumkronen war es völlig still.
    »Eco!« rief ich, ohne darüber nachzudenken, daß ich damit andere Angreifer, die möglicherweise im Dunkel lauerten, alarmieren könnte. »Eco!«
    Mir

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