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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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war, als hätte ich von ferne oder vielleicht auch von nahem Geräusche gehört, gedämpft durch den Nebel und das dichte Blattwerk - ein Scheppern wie von Metall gegen Metall, ein Schrei, das Schnauben eines Pferdes. Ich lief zu meinem Roß und stieg auf.
    Plötzlich wurde mir so schwindelig, daß ich fast stürzte. Mein Kopf pochte. Ich faßte an meine Schläfe und spürte klebrige Feuchtigkeit. Selbst in der Finsternis konnte ich erkennen, daß an meinen Fingern Blut klebte. Von der Schnittwunde an meiner Hand, dachte ich, bis mir auffiel, daß die Klinge meine andere Hand aufgeritzt hatte. Ich mußte mir, ohne es zu bemerken, den Kopf gestoßen haben - oder die Klinge des Angreifers war knapper über meinen Schädel gestrichen, als mir bewußt gewesen war.
    Das Blut ließ mich an den Umhang denken. Ich hatte ihn fallen lassen, als ich gestürzt war. Ich sah mich auf dem nackten Fels um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.
    Aus dem Wald drangen Geräusche - das Wiehern eines Pferdes, das Brüllen eines Mannes. Ich war wie benommen und konnte nicht klar denken. Ich ritt in den Wald, auf die entfernten Geräusche zu, doch ich hörte nur ein Rauschen in meinem Kopf, lauter als der Wind in den Bäumen. Der Nebel senkte sich über mich wie Gaze, die auf mein Gesicht gelegt wurde.
    »Eco!« rief ich, weil mir die Stille mit einem Mal Angst machte. Die Welt um mich herum schien endlos und leer.
    Ich ritt weiter. So angestrengt ich auch lauschte und spähte, ich war ein hilfloser Mann, der nichts hören und sehen konnte. Das Mondlicht wurde schwächer, durchbrochen von leuchtenden, nebelhaften Phantomen, die aus der Dunkelheit hervorsprangen und wieder verschwanden. Am Ende kommt der Tod, sagte ich mir, an ein altes ägyptisches Sprichwort denkend, das Bethesda mir beigebracht hatte. Der Tod war für Licinius und Dionysius gekommen, genauso wie für den geliebten Vater von Crassus, wie er auch für alle Opfer Sullas und die Opfer von Sullas Feinden, für Sulla selbst und den Zauberer Eunus gekommen war, die beide bei lebendigem Leibe von den Würmern verzehrt worden waren, und er würde auch für Metrobius und Marcus Crassus kommen, für Mummius und selbst für den hochnäsigen Faustus Fabius. Der Tod würde für den schönen Apollonius kommen, wie er für den alten Zeno gekommen war, der als halbzerfressene Leiche an den Ufern des Averner Sees geendet hatte. Der Tod würde auch für den kleinen Meto kommen, der noch kaum gelebt hatte - wenn nicht mögen, dann an einem anderen Tag. Ich fand einen seltsamen, kalten Trost in diesem Gedanken. Am Ende kommt der Tod...
    Dann fiel mir Eco wieder ein.
    Ich konnte weder hören noch sehen - ich war blind und taub geworden, oder aber die Nacht hatte sich in tiefes Schwarz gehüllt, und der Wind heulte. Aber stumm war ich nicht. Ich rief seinen Namen: »Eco! Eco!« Wenn er antwortete, hörte ich ihn nicht. Doch wie hätte er antworten sollen, wo er doch stumm war? Etwas Feuchtes tropfte auf meine Wange - nicht Blut, sondern Tränen.
    Ich fiel nach vorn und umklammerte mein Pferd. Es verlangsamte seinen Trab und blieb schließlich ganz stehen. Das Heulen des Windes war abgeklungen, doch die Welt war noch immer dunkel. Irgendwann drehte ich mich um und fand mich auf dem Boden zwischen Blättern und Zweigen liegend wieder.
    Irgendein vorüberziehender Gott hatte mein Gebet schließlich doch noch erhört. Diese Nacht würde nie enden und der Morgen nie kommen.
     
    ZWEIUNDZWANZIG
    Ich öffnete meine Augen in einer Welt, in der es weder dunkel noch hell war. Über mir knackten und ächzten die Aste in der milden Brise der Dämmerung - oder war es mein eigener Kopf, der dabei war, auseinanderzubersten?
    Ich richtete mich langsam auf und lehnte mich gegen einen Baumstamm. Mein Pferd war in der Nähe und schnupperte auf der Suche nach etwas Eßbarem friedlich an den Blättern. Mein Magen knurrte; und ich stöhnte ob des stechenden Schmerzes in meinem Kopf. Ich tastete ihn ab und spürte getrocknetes Blut - genug, um eine leichte Übelkeit hervorzurufen, aber nicht genug, um mich zu alarmieren. »Du wirst schon nicht verbluten«, hatte mein Vater immer gesagt, wenn ich als Junge blutend nach Hause kam; und er war weder ein Stoiker noch besonders streng, sondern wußte nur, wie man eine Wunde richtig einschätzte.
    Ich erhob mich zitternd und atmete tief ein, dankbar und nicht wenig überrascht, überhaupt noch am Leben zu sein. Ich rief Ecos Namen so laut, daß das Echo aus den Hügeln

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