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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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zurückschallte. Die Anstrengung sandte einen Donnerschlag durch meinen Schädel. Eco tauchte nicht auf, aber die Welt wurde langsam heller.
    Ich konnte den Wald nach ihm absuchen, oder ich konnte zur Villa zurückkehren. Stattdessen beschloß ich, ohne Eco und ohne den blutbefleckten Umhang nach Cumae weiterzureiten. Es bestand noch immer die vage Hoffnung, daß ich denen, die sie kannten, die Wahrheit entlocken konnte. Im Licht des anbrechenden Tages wirkte der Wald auf einmal klein. Von meinem Standpunkt aus konnte ich den Felsvorsprung sehen, wo man mich angegriffen hatte, und in der anderen Richtung durch die Bäume das felsige Gelände um die Sibyllinische Grotte und sogar ein Stück Meer. Und doch war es in der vergangenen Nacht so leicht gewesen, sich hier zu verirren! Nacht und Dunkelheit berauben die Menschen nicht nur ihrer Sehkraft, sondern auch ihrer anderen Sinne. Und der Schlag auf den Kopf hatte auch nicht geholfen.
    Ich fand den Pfad ohne Probleme. Nach ein paar Minuten verließ ich den Wald und gelangte in das Felslabyrinth. Dabei warf ich beklommene Blicke nach links und rechts, fast ängstlicher, Eco zu finden, als ihn nicht zu finden. Immer wieder glaubte ich, in einem Baumstumpf oder einem grauen Felsbrocken seine Leiche zu erkennen.
    Auf der kleinen Straße durch das Dorf Cumae war noch keine Menschenseele unterwegs, doch aus den Häusern der Frühaufsteher stiegen erste Rauchwölkchen auf. Schließlich erreichte ich Iaias Haus am anderen Ende des Dorfes. Aus seinen Öfen stieg kein Rauch, kein Laut war von drinnen zu vernehmen, kein Licht durch die Fenster zu sehen. Ich band mein Pferd an und ging zu Fuß weiter.
    Ich fand den kleinen Pfad, der zum Meer hinabführte und den ich Olympias am Nachmittag unseres Besuches bei der Sibylle hatte heraufkommen sehen. Ich folgte ihm durch das niedrige Gebüsch. Der Pfad wand, zwischen glatte Felsen eingezwängt, sich steil bergab. An manchen Stellen war er kaum noch zu erkennen und verschwand bisweilen ganz hinter verwitterten Felsvorsprüngen. Ein paarmal kam ich auf losen Steinen ins Rutschen und mußte mühsam das Gleichgewicht halten. Es war bestimmt kein Weg, den irgend jemand aus Vergnügen oder per Zufall gehen würde, weniger für einen ausgewachsenen Mann als für eine abenteuerlustige Ziege geeignet oder vielleicht eine behende junge Frau, die einen guten Grund hatte, ihn einzuschlagen.
    Der Pfad endete an einer Gruppe von Felsen am Wasser. Die Wellen schlugen gegen den Stein und zogen sich wieder zurück, so daß jeweils kurz ein schmaler Streifen schwarzen Sandes frei wurde. Ich sah mich um und konnte keinerlei Anzeichen für eine Höhle oder Felsspalte erkennen. Die Salzkruste und die seltsamen Kreaturen an den Felsen ließen darauf schließen, daß die Flut auch noch ein ganzes Stück höher steigen und die Felsen und den Strand ganz überspülen konnte. Wenn die Flut ihren Höchststand bereits überschritten hatte, blieb bei Ebbe möglicherweise ein Stück Sand frei, auf dem man zumindest bis jenseits der Felsen bequem laufen konnte. Doch zum jetzigen Zeitpunkt konnte ich keinen verborgenen Einstieg in den glatten Wänden entdecken. Ich war in eine Sackgasse geraten.
    Und doch war Olympias genau diesen Pfad heraufgekommen, in der Hand einen Korb, der bis auf ein Messer und ein paar Brotkrumen leer war, und der Saum ihrer Reitstola war naß gewesen. Und ich hatte gesehen, wie sie erbleicht war, als Dionysius darauf bestanden hatte, die Geschichte von Crassus Aufenthalt in der versteckten Meereshöhle zu erzählen.
    Ich wappnete mich innerlich gegen die Kälte und kletterte über die Felsen auf den schmalen Strand. Einen Augenblick später umspülten Wellen meine Füße, und ich stand bis zu den Knien im Wasser, bevor es sich wieder zurückzog, an meinen Knöcheln zerrend, so daß ich mich vor Kälte zitternd an die Steine klammern mußte, um nicht den Halt zu verlieren. Dann brachen sich die Wellen erneut, und ich befand mich bis zu den Oberschenkeln im Wasser. Ich zischte ob der Kalte, zwang mich, den Fels loszulassen, und trat auf den treibenden Sand. Ich watete hinaus, bis mir das Wasser bis zu den Hüften reichte. Die Ebbe und der Sog der Wellen rissen heftig an mir, und der Sand unter meinen Füßen gab so schnell nach, daß ich das Gleichgewicht kaum halten konnte. An einer so schmalen Stelle, dachte ich, könnte ein Mann im Handumdrehen gepackt und von einer Strömung unter Wasser ins offene Meer hinausgezogen werden, ohne das

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