Die Pforten Des Hades
zurück in die große überkuppelte Halle mit dem runden Becken. Der Tag kühlte langsam ab, und Dampfwolken stiegen über dem zischenden und streng nach Schwefel riechenden Wasser auf.
»Apollonius!« rief Mummius breit lächelnd und schritt auf die andere Seite des Raumes, wo, von Dampf umhüllt, ein junger Sklave in einer grünen Tunika am Beckenrand stand.
Als ich näher kam, bemerkte ich die außergewöhnliche Schönheit des Jungen. Er hatte dichtes, fast blauschwarzes Haar wie die Farbe des Himmels in mondlosen Nächten. Seine Augen waren von einem leuchtenden Blau. Stirn, Nase, Wangen und Kinn waren glatt und in der Art proportioniert, die die Griechen als natürliche Perfektion definierten. Der Hauch eines Lächelns umspielte seine vollen, geschwungenen Lippen. Er war nicht groß, aber unter den weiten Falten seiner Tunika zeichnete sich deutlich ein athletischer Körper ab.
»Apollonius!« sagte Mummius erneut und sah sich zu mir um. »Ich fange mit dem heißesten Becken an«, verkündete er und wies auf die gegenüberliegende Tür, »gefolgt von einer ordentlichen Massage von Apollonius. Und du?«
»Ich glaube, ich probiere zunächst dieses hier aus«, sagte ich, stippte einen Zeh in das Hauptbecken und zog ihn rasch wieder zurück. »Oder vielleicht doch lieber ein nicht ganz so heißes.«
»Versuch es mal mit dem da, es ist das kälteste«, sagte Mummius und wies auf eine Tür neben der Umkleidekabine, bevor er, eine Hand auf die Schulter des Sklaven gelegt und ein ausgelassenes Marschlied summend, von dannen schritt.
Wir schwitzten, schrubbten uns mit Elfenbeinstriegeln und tauchten abwechselnd in heiße und kalte Becken; als wir unsere Absolutionen verrichtet hatten, gesellte sich Marcus Mummius in der geheizten Umkleidekabine wieder zu uns, wo frische Unterwäsche und Tuniken für uns bereitlagen. Meine Tunika war aus dunkelblauer Wolle mit einem schlichten schwarzen Saum, passend für einen Gast in einem trauernden Haus. Der alte Sklave schien ein gutes Auge zu haben; die Tunika paßte perfekt und war nicht einmal an den Schultern zu eng, wie es mir sonst häufiger passiert. Mummius legte die schlichte, aber edel verarbeitete schwarze Tunika an, die er an dem Abend getragen hatte, als er mich in Rom abgeholt hatte.
Eco war von seinem Gewand weniger begeistert. Der Sklave hatte ihn offenbar für jünger gehalten, als er war, oder auch nur zu gutaussehend, um mit unverhüllten Gliedmaßen im I laus gesehen zu werden, und ihm eine langärmelige blaue Tunika gebracht, die Eco bis zu den Knien reichte. Sie war so sittsam, daß sie passender für ein dreizehnjähriges Kind gewesen wäre. Ich erklärte Eco, er solle sich geschmeichelt fühlen, daß ihn der alte Sklave so anziehend gefunden hätte, daß er seine Schönheit lieber verhüllt wissen wollte. Mummius lachte; Eco wurde rot und wollte nichts davon wissen. Er weigerte sich, sich anzuziehen, bis ihm ein Sklave eine Tunika wie meine brachte. Sie saß nicht ganz so gut, aber Eco behalf sich mit einem schwarzen Wollgürtel um die Hüfte und schien glücklich, nun arm- und beinfrei und damit männlicher bekleidet zu sein.
Mummius führte uns durch lange Flure mit Sklaven, die sich eilig beugten und ehrerbietig zur Seite traten, eine Treppe hinab, eine andere hinauf, durch einige mit kostbaren Statuen und aufwendigen Wandgemälden verzierte Räume, vorbei an Terassen, die vom letzten warmen Atem des Sommers erfüllt waren. Zuletzt erreichten wir einen halbkreisförmigen Raum in der Nordseite des Hauses, oberhalb eines Felsens gelegen und mit einem herrlichen Blick auf die Bucht.
Der Raum hatte die Form eines Amphitheaters. Anstatt auf die Bühne führte eine flache Treppe auf einen riesigen Balkon mit einer fantastischen Aussicht auf das glitzernde Wasser, den Hafen von Puteoli und den am Horizont thronenden Vesuv mit den Städten Herculaneum und Pompeji zu seinen Füßen.
Drinnen war es so dunkel und das von draußen hereinfalle Licht so hell, daß ich die Frau, die mit ausgestreckten Beinen aufrecht auf einem flachen Diwan neben einem kleinen Tisch mit einem Krug und Trinkgefaßen saß, nur als Silhouette erkennen konnte. Sie starrte auf die Bucht und reagierte auch nicht, als wir eintraten; wenn sich die herabhängenden Falten ihres Gewands nicht leicht in der sanften Brise bewegt hätten, die durch den Säulengang wehte, hätte man sie ebensogut für eine weitere Statue halten können.
Sie drehte sich zu uns um. Ihre Gesichtszüge konnte ich
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