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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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noch ein junger Mann und Cicero sogar noch jünger.«
    »Seitdem ist sein Stern aufgestiegen wie ein Komet. Der prominenteste Anwalt Roms - eine ziemliche Leistung für einen Mann aus einer derart obskuren Familie. Wie ich höre, hat er deine Dienste seither noch des öfteren in Anspruch genommen.«
    Ich nickte. »Da war der Fall der Frau aus Arrentium kurz nach dem Prozeß gegen Sextus Roscius, als Sulla noch lebte. Und im Laufe der Jahre diverse Mordprozesse, Fälle von Wucher und Eigentumsstreitigkeiten, ganz zu schweigen von einigen privaten Affären, zu denen ich keine Namen nennen kann.«
    »Es muß sehr befriedigend sein, für einen so berühmten Mann arbeiten zu dürfen.«
    Manchmal wünsche ich mir, ich wäre stumm wie Eco, damit ich mir nicht ständig auf die Zunge beißen muß. Ich habe mich schon so oft mit Cicero zerstritten und wieder versöhnt, daß ich es leid bin. Ist er ein ehrlicher Mensch oder ein hemmungsloser Opportunist? Ist er ein Mann des Volkes, der an Prinzipien glaubt, oder ein Apologet des reichen Adels? Wenn er wie die meisten Menschen deutlich erkennbar entweder das eine oder das andere wäre, wüßte ich, was ich von ihm zu halten habe. Aber von allen Männern Roms ist er derjenige, der mich am häufigsten zur Verzweiflung getrieben hat. Seine Arroganz und sein überhebliches Gehabe machen ihn mir, egal wie angemessen sie sein mögen, auch nicht sympathischer, genauso wenig wie seine Neigung, immer nur die halbe Wahrheit zu sagen, auch wenn seine Intentionen durchaus ehrenhaft sein mögen. Wenn ich an Cicero denke, kriege ich Kopfschmerzen.
    Gelina nippte an ihrem Wein.
    »Als ich mich vor dieses Problem gestellt sah und mich fragte, wen ich um Hilfe bitten könnte - jemand Vertrauenswürdiges und Diskretes, jemand von außerhalb, einen Mann, zäh und furchtlos, wenn es um die Verfolgung der Wahrheit geht - mutig wie ein Adler, wie Cicero gesagt hat...«
    »Und stur wie ein Esel.«
    »Und schlau. Vor allem schlau...« Gelina seufzte und blickte aufs Meer. Sie schien ihre Kräfte zu sammeln. »Hast du die Leiche meines Mannes gesehen?«
    »Ja.«
    »Er wurde ermordet.«
    »Ja.«
    »Brutal ermordet. Es geschah vor fünf Tagen, an den Nonen des Septembers - obwohl die Leiche erst am nächsten Morgen entdeckt wurde...« Ihre weltferne Ruhe war auf einmal verschwunden; ihre Stimme zitterte, und sie wandte sich ab.
    Mummius rückte an ihre Seite und faßte ihre Hand. »Du mußt stark sein«, flüsterte er ihr zu. Gelina nickte, hielt den Atem an und drückte seine Hand, bevor sie sie losließ.
    »Wenn ich dir helfen soll«, sagte ich ruhig, »muß ich alles wissen.«
    Gelina studierte lange die Aussicht. Als sie mich wieder ansah, hatte sie sich gefaßt, so als könne sie die weitabgewandte Friedlichkeit des Panoramas durch langes Betrachten in sich aufnehmen. Als sie fortfuhr, war ihre Stimme wieder fest und ruhig.
    »Er wurde, wie gesagt, am nächsten Morgen entdeckt.«
    »Wo genau? Von wem?«
    »Im vorderen Atrium, unweit der Stelle, wo sein Körperjetzt aufgebahrt liegt. Einer der Sklaven hat ihn gefunden - Meto, der kleine Junge, der Nachrichten überbringt und die anderen Sklaven morgens früh weckt. Es war noch dunkel, kein Hahn hatte gekräht, sagt der Junge, und die Welt schien so still wie der Tod selbst.«
    »Wie war die genaue Lage des Körpers? Vielleicht sollten wir diesen Meto rufen lassen -«
    »Nein, das kann auch ich dir sagen. Meto hat mich sofort gerufen, und in der Zwischenzeit ist nichts angerührt worden. Lucius lag auf dem Rücken, die Augen geöffnet.«
    »Flach auf dem Rücken?«
    »Ja.«
    »Und seine Arme und Beine, waren sie zusammengekrümmt? Umklammerte er seinen Kopf?«
    »Nein. Seine Beine waren gerade ausgestreckt, und die Arme hielt er über den Kopf.«
    »Wie Atlas, der die Welt trägt?«
    »Ja, in etwa.«
    »Und die Mordwaffe lag in der Nähe?«
    »Sie wurde nie gefunden.«
    »Nicht? Es muß doch ein blutverschmierter Stein oder ein Stück Metall herumgelegen haben. Wenn nicht im Haus, dann vielleicht auf dem Hof.«
    »Nein. Aber man hat ein Stück Stoff gefunden.« Sie schauderte. Mummius richtete sich in seinem Stuhl auf; offenbar war dieses Detail auch ihm bisher unbekannt.
    »Ein Stück Stoff?« fragte ich.
    »Der blutgetränkte Umhang eines Mannes. Er wurde erst gestern gefunden, nicht im Hof, sondern eine halbe Meile die Straße hinunter nach Norden, Richtung Cumae und Puteoli. Einer der Sklaven hat ihn auf dem Weg zum Markt zufällig im Gebüsch

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